Neolamprologus pulcher, eine in in Ostafrika vorkommende Buntbarschart, bleiben gerne zuhause. Während andere Fische umtriebig sind, sind diese häufig sesshaft. Zudem gelten sie als hochsozial. Die Gründe für dieses Verhalten, wurden nun in einer Langzeitstudie erforscht.
Arne Jungwirth vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni Wien und seine Kolleg*innen studierten fünf Jahre lang Lebensspanne, Reproduktionserfolg und sozialen Statuts von 500 Neolamprologus pulcher. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass Buntbarsche dem Druck von Räuber*innen nicht standhalten könnten und daher den Weg der Sesshaftigkeit wählten. Starke Tiere können hinaus in die Welt und sich fortpflanzen, weniger starke Tiere müssen daheim bleiben und haben weniger Nachwuchs – so eine gängige These. Diese wollten Jungwirth und sein Team in einer Langzeitstudie an der Südküste des Tanganjikasees überprüfen.
Sesshaft und hochsozial
Der Tanganjikasee weist eine große Artenvielfalt und vor allem viele Buntbarscharten auf. In den Gewässern Ostafrikas leben zwei Drittel aller Buntbarsche. Jungwirth: „Über mehrere Jahre hinweg haben wir regelmäßig geschaut: Wer ist noch am Leben? Wer lebt wo? Und: Wer hat wie viel Nachwuchs?“ Dazu tauchte das Team wiederholt in Tiefen von 8 bis 12 Metern. Die Forscher*innen erkannten, dass bei den Buntbarschen beide Geschlechter von Sesshaftigkeit profitieren: „Wir haben herausgefunden, dass sowohl Männchen wie auch Weibchen erfolgreicher sind, wenn sie daheim bleiben – sie leben länger und haben mehr Nachwuchs.“
Doch nicht nur ihre Sesshaftigkeit macht Buntbarsche besonders, die Fische sind auch hochsozial. Laut Jungwirth hat hochsozial vier Bedeutungen: Erstens setzten sich die Gruppen, in denen Buntbarsche leben, aus Mitgliedern verschiedener Generationen zusammen. Zweitens besitzen die Fische Kenntnis über die Mitgliedschaft in der eigenen Gruppe und es findet drittens eine kooperative Brutpflege von Jungfischen statt. Schlussendlich herrscht viertens eine generelle Arbeitsteilung zwischen den Gruppenmitgliedern. Dabei ist jeder Fisch – je nach Körpergröße – auf andere Aufgaben spezialisiert. Somit unterscheiden sich Buntbarsche in der Qualität ihrer sozialen Beziehungen. „Die Tiere kennen einander, arbeiten zusammen und teilen sich Aufgaben, über verschiedene Generationen hinweg“, so Jungwirth. Diese Form der Sozialität (Geselligkeit) findet man bei Fischen äußerst selten: Genau genommen nur bei Buntbarschen und – mit einer gewissen Einschränkung – bei Korallenfischen.
Geselligkeit bei Fischen
Wieso ist diese Form der Sozialität bei Fischen so selten? Arne Jungwirth: „Buntbarsche wollen ihre Territorien verteidigen – eine Seltenheit bei Fischen. Der Großteil der übrigen ca. 25.000 Fischarten verteidigt nur selten Territorien und wenn, dann oft nur für kurze Zeit während der Paarungszeit.“. Zudem sind viele Fischarten sehr mobil und leben von ihren Eltern und ihrem Nachwuchs getrennt, daher entsteht meist keine Familienstruktur, die in anderen hochsozialen Arten als Grundlage für Kooperation betrachtet wird. „Bienen helfen ihren Schwestern, Affen ihren Geschwistern und Cousinen, viele Vögel den eigenen Eltern. Bei Fischen findet sich ein Jungfisch oft ohne Verwandte in einem Schwarm Gleichaltriger wieder“, führt der Experte aus.
Schlussendlich ist auch das Gehirn dafür verantwortlich, warum viele Fische wenig sozial sind: „Sich merken zu können, mit wem man welches soziale Verhältnis hat, erfordert eine gewisse neuronale Investition oder andere Erkennungsmerkmale“, erläutert der Forscher. Er nennt einige Beispiele: Primaten und Vögel haben größere Gehirne, das hängt mit einer komplexeren Sozialität zusammen. Bei Insekten wiederum sind bestimmte Duftstoffe auf der Haut dafür verantwortlich, zwischen Freund*in und Feind*in zu unterscheiden. Doch Fischen fehlt das neuronale Netzwerk, um sozial zu sein.
Kooperatives Zusammenleben
Ganz alleine sind Buntbarsche mit ihrer Lebensweise jedoch nicht: „Sogenanntes kopperatives Brüten, also das Zusammenleben von Tieren, die sich untereinander kennen, bei dem verschiedene Generationen zusammen arbeiten und bei dem sich Tiere um Nachwuchs kümmern, der nicht ihr eigener ist, ist im Tierreich durchaus verbreitet“, weiß Jungwirth. So leben Ameisen, Bienen, Termiten und Wespen. Auch Wölfe, Zahnwale, viele Primaten, Erdmännchen und Mulle sind kooperative Säuger und bei Vögeln gibt es viele kooperative Brüter. Jungwirth nennt drei Vorteile. Der erste Grund: Wer nahen Verwandten hilft, hilft damit indirekt den eigenen Genen. Zudem hat Sozialität zweitens einen positiven Einfluss. „Wer in einer Gruppe lebt, der hat viele Vorteile: mehr Augen, um Nahrung zu finden; mehr Krallen, um Fressfeind*innen abzuwehren; mehr Körper, um einander warmzuhalten.“ Schlussendlich spielen drittens Tausch und Spezialisierung eine Rolle, denn je mehr sich eine Gruppe spezialisiert, desto größer ist ihre Effizienz.