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3. Juli 2016

Was Zombies über den Zustand unserer Gesellschaft verraten

Von Schrödingers Katze
Dinge
Was haben virtuelle Apokalypse-Szenarien und Zombies in Computerspielen eigentlich mit der Realität zu tun? Laut dem Historiker Eugen Pfister von der Universität Wien ganz schön viel.

Was hat es mit Gesellschaftsbildern in Computerspielen auf sich? „The Sims“, „Call of Duty“, „World of Warcraft“ oder „Grand Theft Auto“ – Computerspiele sind mittlerweile Big Player der Unterhaltungsbranche. Mit ausgeklügelten Strategien, bis ins kleinste Detail durchdachten Fantasiewelten und unzähligen Spielcharakteren dienen sie in erster Linie der Unterhaltung. Der Historiker und Politikwissenschaftler Dr. Eugen Pfister, der am Institut für Geschichte an der Universität Wien unterrichtet, erkennt in den Videospielen weitere Dimensionen und Inhalte:

Seit 2006 beschäftigt er sich mit der Geschichte der politischen Kommunikation und sucht auch in virtuellen Räumen nach Hintergründen, Kontexten und Mehrdeutigkeit: „Politische Kommunikation findet nicht nur auf Pressekonferenzen, Wahlplakaten und in den Fernsehnachrichten statt. Auch in Romanen, Spielfilmen und Computerspielen werden Politik- und Gesellschaftsbilder kommuniziert, bewusst und unbewusst.“

Pfister
Dr. Eugen Pfister

Der mythologische Zombie-Wahn

Um sich dem Forschungsgebiet „Videospiel“ wissenschaftlich nähern zu können, hat sich der Historiker Pfister den Begriff des „Mythos“ angeeignet. Einst von dem französischen Philosophen Roland Barthes in die Welt gesetzt, funktioniert er wie ein verschlüsselter Code. „Es handelt sich dabei um ein Zeichensystem, das eine politische Botschaft transportiert, die aber nicht immer als solche erkannt wird und deswegen meist von den RezipientInnen nicht weiter hinterfragt wird“, meint Dr. Pfister im Interview.

Damit ein Mythos von der Gesellschaft verinnerlicht werden kann, muss er immer wieder an verschiedenen Stellen auftauchen, bis er als „natürlich“ wahrgenommen wird. Auf dieselbe Art funktionieren auch in Computerspielen Szenarios wie die Zombie-Apokalypse, bei der jegliche Zivilisation zusammenbricht: „Die Vorstellung, dass in einem solchen fiktiven Fall unsere Gesellschaft und unser politisches System in kürzester Zeit zusammenstürzen, wird unhinterfragt akzeptiert“, erklärt Pfister von der Universität Wien.

„Dabei ist eine solche Dystopie (Fiktion mit negativem Ausgang, Anm. d. Red.), die vermutlich mit sinkendem Vertrauen in unsere Politik korreliert, in keiner Weise ‚natürlich’ und eher unwahrscheinlich.“ Der Mythos der Zombie-Invasion scheint allerdings perfekt verinnerlicht zu sein und dient mittlerweile unzähligen virtuellen Spielwelten als Subgenre.

Wenn Grenzen verschwimmen

Je realer ein Computerspiel auf einen wirkt, desto höher liegen die Verkaufschancen – das wissen Gamedesigner und zerbrechen sich deshalb tagtäglich den Kopf, wie sie ein Spiel noch wirklichkeitsgetreuer produzieren können. Das Phänomen, in eine virtuelle Welt völlig einzutauchen und sich dabei mit fiktiven Charakteren identifizieren zu können, wird in der Medienwissenschaft auch Immersion genannt. Gelingt dies den Spieleherstellern, haben sie in der interaktiven Konzeption des Games alles richtig gemacht.

Killing Floor Shooter; Bild: wikicommons
Killing Floor Shooter; Bild: wikicommons

Obwohl Immersion gerade in der Spieleindustrie immer wieder forciert wird, birgt das oft versteckte Risiken. Wenn es bei aktuellen Mainstream-Spielen darum geht, möglichst viele Gegenüber umzubringen, und dabei die Grenzen zwischen virtuellem Raum und Realität verschwimmen, wird es problematisch. Die Rede ist dabei von Ego-Shooter oder Third-Person-Shooter, die oft als unpolitisch interpretiert werden.

Der Associated Creative Director Julian Gerighty von „Tom Clancy’s The Division“ – einem Third-Person-Shooter – erklärte kürzlich, dass dieses Videospiel keinerlei politischen Hintergrund hätte. „Trotzdem transportiert das Spiel ganz eindeutig das dystopische Gesellschafts- und Politikbild einer im Angesicht einer terroristisch verursachten Epidemie versagenden Regierung“, erklärt der Historiker Pfister.

Bild: Wikipedia
Bild: Wikipedia

I want you to join the army!

Damit aber noch nicht genug: Besonders bei umstrittenen Shooter-Games ist die Gratwanderung zwischen reiner Unterhaltung und unethischer Kriegsstrategie ein Balanceakt. Das nutzt mittlerweile sogar die U. S. Army, um neue Soldaten zu rekrutieren. Als virtuelles Kampftraining sollen Shooter-Games zukünftige Krieger ausbilden und sie auf reale Kriegssituationen vorbereiten. Für diesen Zweck hat das US-amerikanische Militär den Shooter „America’s Army“ produziert, der besser funktioniert als jedes Propagandavideo.

Insgesamt 25 Millionen Euro wurden in die Finanzierung gepulvert – mit vollem Erfolg: 30% der US-amerikanischen jungen Erwachsenen (zwischen 16 und 24) gaben bei einer Umfrage an, dank des Spiels einen positiveren Eindruck von der US-Armee bekommen zu haben.
„In diesem Fall verschwimmen auch ganz klar wieder die Grenzen zwischen virtuellem Raum und Wirklichkeit“, erklärt Gamingspezialist Pfister. Wie gefährlich diese Art von Immersion wirklich ist, bemerkt man erst, wenn das Potenzial von Videospielen für Interessen weit jenseits der Unterhaltung genützt wird.

Autorin: Michaela Pichler

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