Wer heute noch „geil“ sagt, war vor 15 Jahren „cool“. Wenn 50-jährige Moderatoren eine Jugendsendung machen, dann windet sich die Zielgruppe mitunter. Fremdschämen. Wenn Hansi Hinterseer ein markantes „bärig“ rauslässt, dann wissen seine Fans – der ist einer von uns. Der kommt aus Tirol. Der war in den 1960ern schon blond und jung. Sprache ist verräterisch. Oder: sie zeigt, wer wir sind. Und wer wir gern sein wollen.
Sprachwissenschaftler von der Universität Graz widmen sich nun – endlich – der Jugendsprache in einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie. Die Sprache der Jungen gehört zu den Lieblingsprügelknaben jeder Gesellschaft. Computer, SMS und dieses neue Dings, whatsapp, ruinieren die Sprache der Jungen, heißt es. Degeneriert sei das. Kaum mehr ein korrekter Satz. Kaum wiederzuerkennen als die Sprache Goethes. Yolo als Jugendwort des Jahres? Das verstört viele. Zeit für eine fundierte Analyse, die den Vorurteilen die Luft rauslässt.
Schrödingers Katze hat mit Melanie Lenzhofer-Glantschnig über ein Projekt zur Jugendsprache gesprochen, das unter der Leitung von Prof. Arne Ziegler an der Universität Graz durchgeführt wird.
Was ist der krasseste Fall von „Jugendsprache“, den sie in letzter Zeit etwa im Fernsehen gehört haben? „Oberaffentittengeil“ war ja lange das Synonym für jung & frech.
Der Wortschatz ist prinzipiell nicht unser Hauptfokus, der liegt auf der Grammatik. Aber was auffällt ist, dass Alter oder Oida fast immer vorkommt. z.B.: „Des wär‘ mir so peinlich, Oida.“ etwa. Als Füllwort an allen möglichen Stellen. Das ist bei Erwachsenen viel seltener. Es gibt ja einen ständigen Austausch zwischen Jugendlichen, der breiteren Öffentlichkeit, und etwa Online-Medien, die dezidiert Jugendliche ansprechen wollen. Das ist ein Kreislauf. Unser Projekt stellt auch lediglich eine Momentaufnahme dar.
Ist das nicht auch bitter, dass man bei Projekt-Abschluss weiß, dass das Material eigentlich schon wieder veraltet ist?
Prinzipiell schon. Man muss sich als Linguist aber generell davon verabschieden, dass der Forschungsgegenstand homogen und stabil ist.
Wie sieht ihr grundsätzlicher Zugang zur Jugendsprache aus?
Unser grundlegender Ausgangspunkt ist die Variationslinguistik, dass es also Sprachvariation gibt, verschiedene Möglichkeiten sich in bestimmten Situationen auszudrücken. Die Jugendsprache an sich ist ja keine homogene Sache. Genauso wenig, wie es die Jugend gibt, gibt es die eine Jugendsprache. Es gibt bestimmte Kommunikationsstile mit stark gruppenspezifischem Charakter, aber die eine Jugendsprache gibt es nicht.
Ist das auch etwas, was sie mit dem Projekt ausdrücken wollen, dass es nicht, wie gern behauptet, die eine Jugendsprache gibt, die dann auch noch medial oft negativ konnotiert ist?
Ja, in Medien und auch in Internet-Foren wird gern von einer Degeneration der Jugendsprachen gesprochen, davon, dass alles schlechter wird. Dass Jugendliche keine korrekte Grammatik mehr beherrschen. Genau deshalb ist ja der wissenschaftliche Zugang so wichtig. Wir können und wollen mit diesen Vorurteilen nichts anfangen. Und Vorurteile dieser Art gibt es ja schon immer. Schon Sokrates hat ja über die Jugend geschimpft. [1]
Kann ein Jugendradio, das von 50-jährigen gemacht wird, grundsätzlich funktionieren? Oder wird es nie die Sprache der Jugendlichen sprechen?
Das ist sicher schwierig. Ein Problem ist, wenn sie krampfhaft versuchen, sich sprachlich anzunähern. Die Jugendliche überreißen das sofort, wenn einer versucht auf jugendlich zu machen. Auf der Facebook-Seite von Bravo etwa gibt es immer wieder Einträge vom Zielpublikum, die die Texte als „lächerlich“ bezeichnen. So etwas wird eher als negativ aufgefasst, ist mein Eindruck.
Der Konjunktiv ist ja eine österreichische Spezialität. Welcher wird denn nun am häufigsten verwendet?
Der Trend scheint bei den Jugendlichen bei der Bildung des Konjunktivs II in Richtung so genannter Konjunktiv-Ersatzformen zu gehen, wie dem würde-Konjunktiv, z.B. ich würde gehen. Daneben ist auch der Konjunktiv von tun gepaart mit dem Infinitiv (z.B. i tat gehen) häufig im Gebrauch. Man sieht vor allem in ländlicheren Gegenden aber auch, dass die Jugendlichen ebenfalls dialektale Konjunktivformen verwenden, z.B.„er gangat“ wenn wir bei „gehen“ bleiben. Das ist eine synthetische Konjunktivbildung, also eine, die am Vollverb selbst (nicht am Hilfsverb wie bei würde/täte gehen) die Konjunktivmarkierung und die Personalendung trägt. Jugendliche bevorzugen eher die analythischen Formen, wie eben „würde gehen“ oder „tat gehen“ als dialektale Form. Das hängt natürlich stark von der jeweiligen Stadt/Land-Zugehörigkeit ab.
Die Kommunikation über das Internet hat sicher auch großen Einfluss.
Der Einfluss von computervermittelter Kommunikation ist enorm. Yolo, etwa. Dieses Wortkommt nicht nur in Online-Foren oder SMS-Kommunikation vor, sondern auch in der mündlichen Jugendkommunikation. Wir hatten es bei mehreren Gesprächen, da kommt es völlig unmarkiert und auch ohne Augenzwinkern vor. Die Online-Sprache ist ja eigentlich eine schriftliche Sprache. Sie hat aber auch viele Merkmale einer gesprochenen Sprache. Sie ist wahnsinnig frei, es wird etwa von vielen durchgehend klein geschrieben, sie ist kaum an Normen gebunden und mittlerweile findet sich auch sehr viel Dialekt.
Sind sich die Jugendlichen bewusst, dass sie Jugendsprache verwenden?
Die allermeisten sind sich bewusst, ja. Sie wissen, dass es Unterschiede gibt. Einige tun sich aber schwer damit, sich – wenn es die Situation erfordert – wieder an eine Norm anzupassen, etwa in der Schule oder in einem Bewerbungsgespräch.
Sie wollen auch den Deutsch-Unterricht bereichern und unterschiedliche Gesprächssituationen bewusst machen. Wie genau?
Den Ruf des Sprachunterrichts nach der Berücksichtigung von Sprachvariation gibt es. Es heißt nicht mehr: Wir lernen das Deutsche, sondern man erkennt immer mehr an, dass viele Varianten existieren, die man auch vermitteln muss. Es gibt eben nicht nur eine Möglichkeit. Je nach Anforderung einer Kommunikationssituation muss ich mich entsprechend ausdrücken können. Und diese Anpassungsfähigkeit ist ein Vorteil. Da gibt es auch von der Wirtschaft eine große Nachfrage. Da beklagt man, dass Bewerber bei Gesprächen, z.B. auch im Umgang mit Kunden, Schwierigkeiten haben, sich der Situation entsprechend auszudrücken. Das gilt aber auch für Menschen, die Deutsch als Fremdsprache irgendwo im Ausland gelernt haben und dann Verständnisschwierigkeiten haben, wenn sie nach Österreich kommen und mit der sprachlichen Vielfalt hier konfrontiert sind.
[1] „Die Jugend liebt heute den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt mehr vor älteren Leuten und diskutiert, wo sie arbeiten sollte. Die Jugend steht nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widerspricht den Eltern und tyrannisiert die Lehrer.“
Mehr zum Projekt der Karl-Franzens Universität Graz gibt es hier.