80 % aller Menschen weltweit infizieren sich einmal mit den Humanen Papillomaviren (HPV), einer großen Virusgruppe, die zu abnormen Zellwachstum und somit zu Krebsvorstufen, Krebs sowie Genitalwarzen führen kann. Es gibt mehr als 200 HPV-Typen, mindestens 14 davon können Krebs verursachen. Die Übertragung der Viren erfolgt über direkten Schleimhautkontakt, vor allem beim Geschlechtsverkehr oder – in seltenen Fällen – bei der Geburt. Solange eine (chronische) Infektion vorliegt, besteht Ansteckgefahr und Kondome schützen nur bedingt vor HPV-Viren.
Die verschiedenen HPV-Typen verbindet, dass sie alle ein doppelsträngiges DNA-Genom haben und Epithel(stamm)zellen der Haut bzw. Schleimhäute infizieren und dort unkontrolliertes Wachstum auslösen, erklären Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening, und die Molekularmedizinerin Chiara Herzog von der Universität Innsbruck. Die beiden forschen am Europäische Translationale Onkologie Präventions & Screening Institut (EUTOPS), das von Widschwendter geleitet wird. Ihre Studie zu HPV und Gebärmutterhalskrebs gibt es hier.
Die meisten Infektionen mit HPV werden nicht bemerkt und verlaufen symptomlos. „Allerdings führt HPV in einigen Personen zu Krebs: vor allem krebsfördernde HPV-Subtypen sind laut Schätzungen für mehr als 90 % aller Gebärmutterhalskrebsfälle verantwortlich. Mittlerweile ist auch bekannt, dass HPV sowohl in Frauen als auch Männern für mehr als die Hälfte aller weiteren Karzinome im anogenitalen oder Mund-Rachen-Bereich verantwortlich ist“, so die beiden Expert*innen.
Gebärmutterhalsscreening
Wie reagiert also der Körper auf eine HPV-Infektion? Das herauszufinden, ist für Forschende gar nicht so einfach, denn sie erhalten meist nur Proben von gesunden Personen oder von Personen mit bestehender Krebserkrankung. Diese lassen nicht mehr auf eine frühere Infektion rückschließen. Das Gebärmutterhalskrebsscreening ist daher nicht nur für die Patientinnen wichtig, es ermöglicht den Forscher*innen ebenso einen einzigartigen Einblick in die Stufen der Krankheitsentstehung. „Der Sinn des Screenings ist, Personen schon vor Krebsentstehung ‚abzufangen‘. Somit hatten wir ein Spektrum von Proben entlang der Krankheitsentstehung, beginnend von komplett normalen Proben (nicht infiziert oder infiziert) bis zu Proben mit (prä-)neoplastischen Veränderungen (Unter einer Neoplasie versteht man eine gut- oder bösartige Neubildung von Körpergewebe durch eine Fehlregulation des Zellwachstums; Anm. d. Red.) .“
Zelltodprogramm
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass HPV-Infektionen zu einer Veränderung des Epigenoms führen, das ist quasi die Software der Zelle, wie Widschwendter erklärt. Dieses kontrolliert zelluläre Prozesse und löst den programmierten Zelltod aus: „Da das Virus nicht außerhalb von Zellen überleben kann, stirbt es mit der ‚Host‘-Zelle ab und die Infektion wird normalerweise beseitigt. In Frauen, die Gebärmutterhalskrebs entwickeln, scheint dieses Zelltodprogramm nach HPV-Infektion reduziert oder verloren zu sein, und das Virus kann somit in Zellen verbleiben und sie schädigen und zum unkontrollierten Wachstum anleiten“, so Widschwendter und Herzog.
Die Forschung der beiden zeigte, dass bestimmte Eigenschaften der infizierten Person bestimmen, ob das Zelltodprogramm ausgelöst wird: „Wenn zum Beispiel die Stammzellen einer Person bereits „älter“ sind und sich öfter geteilt haben, wird die zelleigene Abwehrreaktion tendenziell weniger stark angeschalten und somit eher Krebs ausgelöst. Ein bekannter Faktor, welcher Stammzellen eher altern lässt, ist zum Beispiel das Rauchen.“
Risiken und Impfung
Weitere Risikofakten für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs – neben einer HPV-Infektion – gibt es einige: Tabakkonsum, chronische Entzündungen, andere sexuell übertragbare Erkrankungen (wie etwa HIV) und immunsuppressive Therapien. Genetische Faktoren scheinen jedoch nur eine geringe Rolle zu spielen. Vorbeugung ist besser als Behandlung, daher appellieren die beiden Expert*innen, das jährliche Gebärmutterhalskrebsscreening in Anspruch zu nehmen. Sie betonen ebenso, dass es in Entwicklungsländern weiterhin schwierig ist, die richtige medizinische Betreuung zu erhalten – dort gehört Gebärmutterhalskrebs demnach zu den häufigsten Krebserkrankungen.
Die HPV-Impfung kann das Risiko, Gebärmutterhalskrebs zu entwickeln, verringern. „Gemeinsam mit flächendeckendem Screening und einer Impfung sowohl bei Frauen als auch bei Männern haben wir vielleicht erstmalig das Potential, eine Krebserkrankung fast vollständig ‚auszurotten‘. Dieses Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren“, betonen Martin Widschwendter und Chiara Herzog abschließend.
In Österreich ist die HPV-Impfung für alle bis 21 Jahren kostenlos verfügbar und sie wird ab neun Jahren empfohlen. Sie ist spezifisch für neun stark krebs erregende HPV-Typen (6, 11, 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58). Laut den beiden Expert*innen kann eine Impfung auch nach dem 21. Lebensjahr helfen und auch wenn man bereits eine Infektion mit einem oder mehreren HPV-Typen hatte. Eine bestehende Infektion kann die Impfung jedoch nicht behandeln und die Impfung bleibt weiterhin am effektivsten, wenn sie vor dem ersten Kontakt mit dem Virus, also vor dem ersten Geschlechtsverkehr, erfolgt.