Besonders mit der steigenden Anzahl derjenigen, die im Home Office arbeiten oder online studieren, ist digitaler Stress wohl etwas, das viele kennen. Das kann sich sogar negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Wie Menschen und Organisationen dagegen vorgehen können, hat Schrödingers Katze den Forscher René Riedl gefragt.
Allgegenwärtigkeit der Digitalisierung
„Digitaler Stress ist kein neues Phänomen“, sagt René Riedl, Vizedekan der FH Oberösterreich an der Fakultät für Wirtschaft und Management und Wirtschaftsinformatiker an der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU). „Bereits mit dem Einzug von PCs in die Büros und Wohnzimmer in den 1980er Jahren erkannten Wissenschaftler*innen, dass die Nutzung von Computer und Software mit Stressreaktionen einhergehen kann.“
Diese Thematik habe in jüngster Zeit wieder enorm an Bedeutung gewonnen, vor allem durch die Verbreitung von Smartphones und der voranschreitenden Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft. Mehrere Studien hätten gezeigt, dass digitaler Stress sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Angestellten negativ auswirkt, so Riedl: „Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit Ergebnissen einer groß angelegten Interviewstudie, die wir in unserem Forschungsteam kürzlich in österreichischen Unternehmen durchgeführt haben, sowie mit einer groß angelegten Online-Befragung unter mehr als 3.000 Befragten im deutschsprachigen Raum unter der Leitung der FH Oberösterreich.“
Viele der Forschungsergebnisse hat Riedl in seinem kürzlich erschienenen Buch „Digitaler Stress – Wir er uns kaputt macht und was wir dagegen tun können“ veröffentlicht. Einer der stärksten Stressfaktoren ist demnach Unzuverlässigkeit, wie etwa abstürzende Computer und lange Antwortzeiten von Systemen, und das über alle befragten Branchen und Altersgruppen hinweg.
Die Studienteilnehmer*innen sprachen auch oft von Problemen der Trennbarkeit von digitalem und „analogem“ Stress: „Informationsüberlastung, ständige Unterbrechungen, das Verschwimmen beruflicher und privater Grenzen sowie computerbasierte Leistungsüberwachung waren weitere oftmals genannte Stressfaktoren“, so Riedl. Hier habe es allerdings große Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen gegeben.
Flut an Nachrichten
Stressfaktoren wie das ständige Hereinkommen von Nachrichten können nicht nur ermüden, sondern auch zur Abnahme der Produktivität führen. Die Technologien, die uns eigentlich effizienter machen sollten, machen uns also unter Umständen weniger produktiv. Auch die Schnelllebigkeit von Informationssystemen sei stressig: Die Einführung von neuen Anwendungssystemen in der Arbeit könne zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol führen, so der Wirtschaftsinformatiker Riedl: „Diese hormonellen Veränderungen sind teilweise lange nach dem Ende einer Einführung noch nachweisbar.“
Tipps für weniger digitalen Stress
René Riedl gibt in seinem Buch auch Tipps zur Bewältigung von digitalem Stress. Es könne beispielsweise helfen, stressreduzierende Regeln für die Nutzung von Smartphone und Computer aufzustellen. Organisationen gibt er den Tipp, Maßnahmen für eine benutzungszentrierte Softwareeinführung zu ergreifen und einen Help-Desk einzuführen, mit dem die Nutzer*innen auch zufrieden sind.
„In Anbetracht der immer weiter ansteigenden Verbreitung von digitalem Stress in Wirtschaft und Gesellschaft gilt die Maxime, nicht nach immer noch mehr technologischer Durchdringung unserer Arbeits- und Lebenswelten zu streben“, so Riedl. „Vielmehr ist es an der Zeit, die Fähigkeiten zu entwickeln, jene Situationen zu unterscheiden, in denen Technologie ‚Freund‘ und wann sie ‚Feind‘ ist.“