Was sind Kohlenhydrate überhaupt?
Kohlenhydrate werden prinzipiell in einfache natürliche (Laktose in Milch und Fruktose in Obst), einfache raffinierte (Haushaltszucker), komplexe natürliche (Vollkorn oder Bohnen) und komplexe raffinierte (Weißmehl) Kohlenhydrate eingeteilt. Quellen natürlicher Kohlenhydrate sind beispielsweise Obst, wie Ananas, Bananen, getrocknete Datteln oder Gemüse wie Kartoffeln, aber auch Hülsenfrüchte wie Kichererbsen oder Bohnen.
Komplexe (also natürliche) Kohlenhydrate liefern mehr Ballaststoffe, werden zudem langsamer verdaut und wirken sich weniger auf den Blutzucker aus ihr raffiniertes Pendant. Nudeln, Kekse, Kuchen sind Beispiele für Lebensmittel, denen mit hoher Wahrscheinlichkeit raffinierte Kohlenhydrate beigesetzt sind.
Man kann sagen, dass Low-Carb-Diäten zu den Mainstream-Diäten zählen, denn sie sind weit verbreitet und sie existieren in vielen verschiedenen Formen. Das Wesen der Low-Carb-Diät – oft auch Ketogene Diät oder Atkins Diät genannt – ist schnell erklärt: Die Zufuhr kohlenhydratreicher Lebensmittel wie Nudeln, Weißbrot oder stärkehaltigem Gemüse wie Kartoffeln wird eingeschränkt, während hauptsächlich auf Lebensmittel mit hohem Protein- und Fettgehalt zurückgegriffen wird.
Kohlenhydrate werden gegen Fett – sogar das sonst so unbeliebte gesättigte Fett – getauscht. Das Ziel? In den meisten Fällen eine Gewichtsabnahme. Werden dem Körper Kohlenhydrate über einen längeren Zeitraum entzogen, soll dieser – so die Idee der Diät – in die Ketose übergehen. Bei der Ketose handelt es sich einen sogenannten Fettstoffwechsel. Zudem soll der Glukose- und Insulinspiegel limitiert werden. Diäten, bei denen sich die Kohlenhydrataufnahme auf 20 bis 50 Gramm pro Tag beläuft, werden als ketogen bezeichnet.
Ein kurzer Abriss der Low-Carb-Geschichte
Das Prinzip der kohlenhdydratminimierten Diät wurde erstmals durch das Buch „Letter on Corpulence” bekannt. Geschrieben wurde es von dem englischen Bestattungsunternehmer William Banting. Er nahm nach eigenen Angaben 23 Kilogramm ab, nachdem ihm sein Arzt fleischlastige Kost verschrieben hatte. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und die sogenannte „Banting-Kur“ war geboren. Einen besonderen Hype erlebt die Low-Carb-Diät dann in den 70er Jahren, nachdem die „Atkins-Diät“ publiziert wurde.
Laut einer Umfrage zu den besten Ernährungstrends zur Gewichtsreduktion des Jahres 2020 glauben 61,1 Prozent der befragten Österreicher*innen an die schlankmachende Wirkung der Low-Carb-Diät. Auf Platz 1 und 2 liegen der Verzicht auf Zucker und Intervallfasten.
Wie sich Low Carb auf unseren Körper auswirkt
Es gibt Themen, die die Wissenschaft spalten und die Low-Carb-Ernährungsform ist eines davon. Auf der einen Seite hat diese Studie beispielsweise ergeben, dass Menschen, die Kohlenhydrate meiden, mehr Körperfett verlieren und weniger kardiovaskuläre Risiken haben als Menschen, die beispielsweise einer fettarmen Diät folgen. Seit über 30 Jahren laufen kontroverse Debatten über optimale Ernährung – vor allem im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus oder Übergewicht.
Was sagt die Wissenschaft nun zu Low-Carb?
Fest steht: Nicht jede Diätform ist für jede*n geeignet. Laut Dr. Petra Rust, die als Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Wien tätig ist, konnten die Genotypen, die besonders auf Low Carb ansprechen, noch nicht identifiziert werden. Zudem erschweren die Limitierungen der Studien die Erforschung. Grund dafür sei, so Rust, dass es an einer einheitlichen, klaren Definition von Low Carb mangle. Außerdem sei keine langfristige Untersuchung möglich, da Menschen ihr Ernährungsverhalten laufend verändern und man von ihnen nicht verlangen kann, sich über einen langen Zeitraum gleich zu ernähren. Aufgrund des Mangels an Daten kann keine Prognose im Hinblick auf die Langzeitauswirkungen, Sicherheit und gesundheitlichen Vorteile keine allgemein gültigen Empfehlungen ausgesprochen werden.
Theorien, dass Low-Carb-Diäten mit dem Ziel der Körpergewichtsreduktion eingesetzt werden, konnten nicht bestätigt werden. Denn: „Werden weniger Kohlenhydrate konsumiert, resultiert dies in einer gesteigerten Zufuhr an Fett und in geringerem Ausmaß auch Protein“, schreibt Dr. Petra Rust. Weiters sei noch nicht geklärt, ob die positiven Effekte auf Herz und Gefäße auf die Verringerung der Kohlenhydrate oder auf die Gesamtenergieaufnahme zurückzuführen sei.
„Meine Empfehlung: Mit Maß und Ziel und Qualität vor Quantität“, so Dr. Rust. „Idealerweise sollte man den Kohlenhydratkonsum – insbesondere den niedermolekularer Kohlenhydrate moderat senken und Fleisch(produkte) durch pflanzliche Proteine und Fette ersetzen“, rät die Ernährungswissenschaftlerin. Besonders wichtig sei zudem, dass Kohlenhydrate bei Low-Carb-Diäten nicht durch tierische Produkte – wie dies häufig in den USA und Europa der Fall sei – ausgetauscht werden würden, sondern durch pflanzliche Fette und Proteine. Das sei auch langfristig gesünder.