Die Reduzierung von Kohlenstoffdioxid (CO2) ist zentral für den Kampf gegen die Klimakrise. Um diesen Wandel in Energie, Mobilität und Wirtshaft voranzutreiben, braucht es neue Ideen und Technologien. Eine Lösung sehen viele Expert*innen im Einsatz Grünen Wasserstoffes. Darunter versteht man den durch Wasserspaltung gewonnenen Wasserstoff, bei dem die Energie für die Elektrolyse vollständig aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenenergie stammt. Ist Grüner Wasserstoff eine nachhaltige Alternative? Welche Rolle spielt er für Energie, Mobilität und Industrie? Die TU Graz forscht seit mehr als 50 Jahren in den Bereichen Elektrochemie und Wasserstoff und das dort angesiedelte Center of Hydrogen Research vereint die Expertise von mehr als 160 Wissenschafter*innen.
Emissionsreduktion
„Wasserstoff allein kann unsere Energieprobleme zwar nicht lösen, aber er kann grünen Strom hocheffizient erzeugen, speichern und transportieren. Darüber hinaus kann grüner Wasserstoff fossile Brennstoffe in der Industrie ersetzen und damit Emissionen reduzieren“, fasst Viktor Hacker einige Vorteile des Grünen Wasserstoffes zusammen. Er leitet das Institut für Chemische Verfahrenstechnik und Umwelttechnik an der TU Graz. Seiner Ansicht nach sind mit Grünem Wasserstoff bessere Energiesysteme möglich – und die brauchen wir weltweit dringend. Wasserstoff wird zwar fossile Brennstoffe nicht sofort ersetzen, aber dank Grünem Wasserstoff kann Ökostrom hocheffizient erzeugt, gespeichert und transportiert werden. Er kann ebenso fossile Brennstoffe in der Industrie ersetzen und Emissionen reduzieren. Zudem betrachtet Hacker Grünen Wasserstoff als besseren elektrischen Strom: „Damit meine ich, dass dort, wo Strom die Anforderungen der Nutzer*innen nicht erfüllen kann, Wasserstoff eingesetzt wird, zum Beispiel zur Speicherung von Energie, zur Schnellbetankung in der Elektromobilität und zum Transport von Energie über weite Strecken.“ Aktuell stellen die hohen Kosten ein Problem dar.
Christoph Hochenauer vom Institut für Wärmetechnik betont, dass der Wasserstoff aus grünen Quellen kommen muss, um nachhaltig zu sein. Aktuell ist Wasserstoff noch zu teuer und er wird in Österreich v.a. aus Erdgas hergestellt. „Wir müssen viele Windräder aufstellen, einige Pumpspeicherkraftwerke bauen und großflächig Photovoltaik ausrollen“, appelliert Hochenauer.
Dekarbonisierung
Laut Andreas Wimmer vom Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme soll Grüner Wasserstoff dort eingesetzt werden, wo der Nutzen am größten ist, also bei industriellen Prozessen und der saisonalen Energiespeicherung. Die grundsätzliche Energieproblematik kann Grüner Wasserstoff seiner Ansicht nach nicht lösen, daher betont der Experte die Notwendigkeit techno-ökonomischer Betrachtungen des Gesamtsystems. Auch Thomas Klatzer vom Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation findet es bedenklich, Grünen Wasserstoff als Allheilmittel zu betrachten. „Um grünen Wasserstoff in ausreichenden Mengen zu produzieren, brauchen wir enorm viele Elektrolyseure (als Elektrolyseur wird eine Vorrichtung bezeichnet, in der mit Hilfe elektrischen Stromes eine chemische Reaktion, also eine Stoffumwandlung, herbeigeführt wird; Anm.), und um die zu betreiben entsprechend viel Energie aus erneuerbaren Quellen.“ Es ist zudem wichtig zu wissen, woher Grüner Wasserstoff kommt, betont Sonja Wogrin, Leiterin des Instituts für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation. Ihrer Meinung nach bietet Wasserstoff eine Chance für die Dekarbonisierung, also die Ermöglichung einer kohlenstofffreien Wirtschaft.
Sekundärenergieträger
Alexander Trattner, Leiter des HyCentA (Hydrogen Center Austria) am Campus der TU Graz, betrachtet Wasserstoff bereits als etablierten Energieträger. Seine Hoffnung: „Grüner Wasserstoff ist Teil der Lösung, um unser Energiesystem hin auf einen klimaneutralen Pfad zu bekommen.“ Er betont, dass es jedoch eine Reihe verschiedener Technologien auf Basis von Wasserstoff gibt, die sehr unterschiedlich sind und daher nicht gut miteinander verglichen werden können. Viele Industrieprozesse können durch den Einsatz von Wasserstoff dekarbonisiert werden und Wasserstoff eignet sich als Sekundärenergieträger, also um überschüssige Energie aus Wind, Wasser und Photovoltaik aus dem Sommer in den Winter zu verlagern. Ein weiterer Einsatz ist Mobilität: In Kombination mit der Brennstoffzelle ist Wasserstoff gut für Fahrzeuge geeignet, die eine hohe Reichweite brauchen, hohe Zuladung haben und sehr flexibel eingesetzt werden können. Grundsätzlich muss die gewonnene Energie durch grünen Wasserstoff jedoch gut verteilt werden, so sollen etwa kleinere Anlagen den Wasserstoff regional produzieren. Schließlich betont Alexander Trattner die Relevanz der dafür benötigten Mittel.
Künftiger Einsatz
Helmut Eichlseder (Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme) macht auf die fehlende Infrastruktur für Wasserstoff aufmerksam– so gibt es derzeit nur fünf Wasserstofftankstellen in Österreich. Wasserstoff könnte seiner Ansicht nach mittelfristig eine Schlüsselrolle beim Problem der Energieknappheit einnehmen, dennoch werden wir Energie weiterhin aus anderen Ländern importieren. Wasserstoff ist ein zwar ein guter Energieträger, aber als Primärenergie ist er nicht geeignet. Wasserstoff kann auch außerhalb der EU produziert werden, wobei es aktuell noch keine Wasserstoff-Pipelines gibt. Zur Produktion von Wasserstoff sagt er: „Die Produktion von Wasserstoff wird also in Ländern passieren, die entweder hohe Sonneneinstrahlung, starkes Windaufkommen oder passende geografische Bedingungen für die Wasserkraft haben.“
Wasserstoff wird für Brennstoffzellen und Wasserstoffverbrennungsmotoren benötigt. „Wichtig ist auch das Thema E-Fuels, also Kraftstoffe, die auf Wasserstoff beruhen und mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren genutzt werden können. Sie spielen vor allem in der Luft- und Schifffahrt und im Verkehr eine Rolle.“ Wasserstoff ist ebenso als Ausgangsprodukt für Stoffe wie Methanol oder Ammoniak wichtig und er wird laut Eichlseder eine Rolle im Schwerverkehr und in der Industrie spielen. Seine Prognose: „In fünf Jahren wird es viele Demo-Projekte und spezifische Anwendungen geben, aber beim gesamten Energieverbrauch wird Wasserstoff noch nicht der Hauptakteur sein.“ Schlussendlich betont der Experte: „Es wird gerne vergessen, dass Wasserstoff heute zum Großteil aus fossilen Quellen stammt – weil dies aktuell billiger ist. Ziel muss aber sein, dass er aus nachhaltigen Quellen kommt und billiger wird.“
Mehr zum Thema Wasserstoff im Dossier der TU Graz.