Sekt ist beliebt, das bestätigt auch der elfte Sektreport des heimischen Herstellers Schlumberger: So gehört für 84 % der Befragten Sekt gerade zu Silvester zu einem gelungenen Abend dazu und auch bei anderen Feiern sowie im Alltag greifen viele gerne zum Schaumwein, auch in der alkoholfreien Version. Eine Sektflasche haben daher wohl schon viele Menschen entkorkt.
Wir sind im Alltag ständig von physikalischen Phänomenen umgeben, so auch beim Öffnen einer Sektflasche: Was dabei genau passiert, haben haben Wissenschafter am Institut für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung an der TU Wien in Kooperation mit dem privaten Österreichischen Kompetenzzentrum für Tribologie (AC2T) erforscht: Das Forschungsprojekt ging aus der Diplomarbeit von Stefan Wagner – ein aktueller Dissertant von Bernhard Scheichl – hervor, und wurde von Stefan Braun betreut.
Bisher gab es keine mathematisch-numerische Analyse des Vorgangs, der sowohl die Deformation des Korkens in der Flasche als auch die gesamte Wechselwirkung zwischen dem ausströmenden Gas und dem beschleunigten Korken beschreibt, sondern lediglich Experimente mit Hochgeschwindigkeitskameras. Nun wurde das Verhalten vom Korken und Gasströmung mit aufwendigen Computer-Simulationen nachgezeichnet. „Das bei der Untersuchung gewonnene Wissen ist bei Überschallantrieben (etwa von Raketenmotoren) und (leider aktuell) Waffentechnik von Bedeutung“, erklären die beteiligten Forscher Lukas Wagner, Stefan Braun und Bernhard Scheichl. Schließlich sind diese Phänomene durch eine hohe Lautstärke gekennzeichnet – wie es eben beim Öffnen einer Sektflasche ebenso der Fall ist.
Schneller als der Schall
Laut den Studienautoren treten gleich mehrere physikalische Phänomene beim Entkorken einer Sektflasche auf – und das in nur wenigen Millisekunden: Eine Sektflasche steht nämlich unter hohem Druck. Wird sie geöffnet, wird der Korken durch das in der Flasche zusammengedrückte Gas nach außen getrieben und kann im großen Bogen und lautstark davonfliegen. Es kommt so zu einem sogenannten Überschall-Phänomen: Das dabei ausströmende Gas erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 400 Metern pro Sekunde – das ist schneller als die Schallgeschwindigkeit – das ist mit ein Grund, warum man ein lautes Ploppen hören kann, wenn die Sektflasche geöffnet wird.
Das bedeutet im Detail: „Sobald der Kork die Flasche mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 Meter pro Sekunde verlassen hat, expandiert der CO₂-Gasstrahl, der sich zwischen dem Flaschenhals und dem Kork bildet, so stark, dass er lokal auf rund minus 130 Grad abkühlt“, erklären die Experten. „Das ausströmende Gas erreicht dabei kurzzeitig Geschwindigkeiten von bis zu 400 Metern pro Sekunde – was bei diesen niedrigen Temperaturen ungefähr eineinhalbfache Schallgeschwindigkeit bedeutet.“
Diese Temperatur ist so gering, dass aus dem CO₂, das die charakteristischen Perlen im Sekt erzeugt, winzige Trockeneis-Kristalle entstehen können. Dieser Effekt hängt davon ab, welche Temperatur der Sekt vor dem Öffnen hatte. Sogar auf dem Nordpol herrschen nicht so niedrige Temperaturen, dort werden durchschnittlich „nur“ minus 15 bis minus 20 Grad erreicht.
„Zudem führt das ‚vor-sich-her-Schieben‘ des Korks zur vorübergehenden Ausbildung einer sogenannten Mach-Scheibe im Gasstrahl zwischen Flaschenöffnung und Kork“, erklären die Experten ein weiteres auftretendes Phänomen, denn bei dieser Stelle im Gasstrahl verändert sich abrupt der Druck. Unter einer Mach-Scheibe (auch Machscher Knoten genannt) versteht man ein nur mit einer Hochgeschwindigkeitskamera, nicht mit freiem Auge sichtbares Wellenmuster in Gasen, das nach dem österreichischen Physiker Ernst Mach benannt wurde. Ähnlich tritt dies auch bei Überschallflugzeugen oder Raketen auf, bei denen der Abgasstrahl mit hoher Geschwindigkeit aus den Triebwerken austritt.
Darum knallen die Sektkorken
Verlässt der Korken schließlich die Flasche, dehnt er sich rasch aus und erzeugt eine Druckwelle; ebenso zeichnet sich der ausbildende CO₂-Gasstrahl durch eine Druckwellen-Signatur aus. „Alle diese Druckwellen sind dafür verantwortlich, dass man ein Ploppen beim Öffnen einer Sektflasche hört“, fassen Wagner, Braun und Scheichl zusammen. Zu guter Letzt zeigte sich auch, dass das Gas teilweise wegen des anfänglichen Überdrucks in der Flasche au dieser nicht nur ausströmt, sondern dass es einige Millisekunden lang hin- und herschwappt. Das heißt, das Gas wird aus der Flaschenöffnung ausgestoßen und auch wieder eingesaugt. Dabei bildet sich eine stehende Welle aus, die als akustischer Ton wahrgenommen werden kann. Dasselbe Phänomen kennt man auch von Orgelpfeifen. Dass es beim Öffnen der Flasche knallt, lässt sich somit laut den Forschern nicht vermeiden: „Wird der Kork von der Hand geführt (und nicht freigelassen), lässt sich das Knallen etwas dämpfen, aber nicht ganz verhindern.“
Die detailliert ausgeführten Originalarbeiten gibt es hier:
* Wagner, L. (2021). Numerical investigation of the gas jet formation immediately after opening a champagne bottle
[Diploma Thesis, Technische Universität Wien]. reposiTUm. https://doi.org/10.34726/hss.2021.96213
* Wagner, L., Braun, S., & Scheichl, B. (2023). Simulating the opening of a champagne bottle. Flow 3, E40.
https://doi.org/10.1017/flo.2023.34