Die Besorgnis um die Umwelt sowie die Bereitschaft für klimafreundliches Handeln haben seit der Corona-Pandemie abgenommen. Das konnten die beiden Soziologinnen der Universität Graz, Beate Klösch und Rebecca Wardana, im Rahmen des Sozialen Survey Österreichs (SSÖ) 2021 feststellen. Sie haben sich drei Studien zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten während der Corona-Pandemie angesehen und miteinander verglichen (hier geht es zum Datenreport). Die drei Studien sind unterschiedlich hinsichtlich der Fragen und der Stichproben aufgebaut, dennoch können die beiden Expertinnen folgendes Fazit ziehen: Vor allem das Geschlecht und der Bildungsabschluss spielen eine zentrale Rolle, ob sich Menschen um die Umwelt sorgen: „Demnach weisen Frauen eine höhere Besorgnis und Bereitschaft auf als Männer, das konnten wir zu allen drei Erhebungszeitpunkten nachweisen. Zudem zeigen die Daten, dass Personen mit einem Pflichtschul- oder Lehrabschluss eine geringere Besorgnis und Bereitschaft aufweisen als Personen mit einem höheren Bildungsabschluss.“ Hinsichtlich der Umweltbesorgnis konnten die beiden feststellen, dass vor allem Frauen, einkommensstarke Personen und Personen mit Hochschulabschluss sich ängstigen. Bezüglich der Bereitschaft, umweltbewusst zu handeln, zeigen sich ebenso Differenzen: Menschen aus ländlicheren Gegenden weisen eine höhere Bereitschaft für umweltfreundliches Verhalten auf als Stadtbewohner*innen. Personen mit niedrigerem Einkommen und mit Pflichtschul- bzw. Lehrabschluss sind ebenso weniger bereit, umweltfreundlich zu handeln.
Drei Studien zum Umweltbewusstsein
Über die Auswahl der Stichprobe heißt es von Wardana und Klösch: „Wir haben insgesamt drei Datensätze ausgewählt, die zum einen während der Corona-Pandemie erhoben wurden und zum anderen dieselben Umweltfragen beinhalteten, um Vergleiche über fast zwei Jahre Pandemie ziehen zu können. Insofern waren ausschlaggebende Faktoren für die Wahl der Daten zum einen die Erhebungszeitpunkte, zum zweiten die Verfügbarkeit bzw. der Zugriff darauf und zum dritten die Verwendung derselben Items (wir waren in die Konstruktion und Erhebung der Umfragen zum zweiten und dritten Zeitpunkt teilweise eingebunden).“ Schlussendlich haben die beiden folgende Studien ausgewählt: „Values in Crisis“ (Frühling 2020), „Polarization in Public Opinion“ (Sommer 2020) und „Sozialer Survey Österreich 2021“ (Spätsommer 2021). Sowohl die Umweltbesorgnis als auch die Bereitschaft für umweltfreundliches Verhalten entwickelten sich dabei relativ konstant in der ersten Jahreshälfte. „Nach eineinhalb Jahren weisen beide Aspekte nun einen Tiefststand auf“, so Klösch und Wardana.
Krisen und ihre Folgen
Woran liegt es, dass Krisen – wie eben die Corona-Pandemie – solche Auswirkungen auf die Einstellungen der Bevölkerung haben? Laut Klösch und Wardana gibt es verschiedene Studien, die sich mit den Auswirkungen von Krisen auf unterschiedliche Aspekte von Umwelteinstellungen beschäftigen. „Diese Studien zeigen, dass es in Krisensituationen zu Aufmerksamkeits- und Prioritätenverschiebungen kommt, da persönliche Sicherheiten wie z. B. das Einkommen oder die Erwerbstätigkeit als bedroht wahrgenommen werden. Als Reaktion darauf verliert das Klimathema an Priorität.“ Im Fall der Corona-Krise konnte man die Verschiebung des öffentlichen Diskurses gut beobachten: „Vor der Pandemie war der Diskurs rund um das Thema Klimawandel im Fokus der gesellschaftlichen und medialen Aufmerksamkeit (Stichworte Greta Thunberg und Fridays For Future). Dieser wurde schlagartig von Berichten des neuartigen Virus verdrängt und durch allgegenwärtige Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit der Pandemie überschattet.“
Blick in die Zukunft
Die beiden Soziologinnen gehen davon aus, dass die Umweltthematik wieder an Bedeutung gewinnen wird, sobald der akute Krisenzustand vorbei ist und es zu einer neuen Normalität kommt. Wardana und Klösch erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass es den vergangen Jahren viele Demonstrationsbewegungen mit unterschiedlichen Anliegen gab – wie etwa MeToo und Black Lives Matter – deren Inhalte eine breite Masse erreichen konnten. Daraus schließen die beiden, dass ebenso das Bewusstsein für Umweltthemen wieder steigen wird.
„Zusätzlich zeigen weitere Befunde des SSÖ 21, dass der Klimawandel in der österreichischen Bevölkerung nach wie vor als ernstzunehmendes Problem wahrgenommen wird. Fast zwei Drittel der Befragen schätzen die Folgen des Klimawandels für Österreich als schlecht ein, im Hinblick auf globale Auswirkungen sind sogar fast 80 % dieser Meinung. Insofern sind wir positiv gestimmt, dass Klima- und Umweltthemen in Zukunft wieder mehr Raum im öffentlichen Diskurs einnehmen werden“, so Wardana und Klösch abschließend.