Rückenschmerzen sind das Volksleiden Nummer Eins, nahezu jede*r leidet bzw. litt bereits darunter. Das Buch „Rückenschmerzen – vorbeugen und aktiv behandeln“, verfasst von Richard Crevenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin der MedUni Wien, und einem Team aus Expert*innen aus unterschiedlichen medizinischen Bereichen, liefert Informationen zur Vorbeugung von Rückenschmerzen, nicht-operativen Behandlungen sowie zur Rehabilitation. Zudem werden auch Zusammenhänge mit dem Geschlecht, Auswirkungen der Erwerbstätigkeit und Rückenschmerzen im Alter thematisiert.
Was sind Rückenschmerzen?
Schmerzen können an unterschiedlichen Stellen auftreten, wie es gleich zu Beginn des Buches heißt: Rückenschmerzen oder Dorsalgie im engeren Sinne benennt die Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS-Syndrom). Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule werden als Kreuzschmerzen (Lumbalgie, Lumbago, Low Back Pain, LWS-Syndrom) bezeichnet. Schmerzen, die wiederum in die Extremitäten ausstrahlen, werden Ischialgie oder Lumboischialgie genannt. Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule heißen Nackenschmerzen (Cervicalgie, HWS-Syndrom, Zervikalsyndrom). Auch hier kann es zu Schmerzen kommen, die in die Extremitäten. ausstrahlen, diese werden als Brachiale bzw. Cervicobranchialgie bezeichnet.
„Durch Fehlhaltungen, einseitige Über- und Fehlbelastungen, eingeklemmte Nervenwurzeln, mangelnde Bewegung etc. können Muskelverspannungen und dadurch Rückenschmerzen hervorgerufen werden“, so Richard Crevenna, Experte und Herausgeber des Buches.
Zudem werden die Schmerzen je nach ihrer Dauer klassifiziert: Akute Rückenschmerzen sind solche, die zum ersten Mal auftreten bzw. nach mindestens sechs schmerzfreien Monaten. Sie halten maximal sechs Wochen an. Subakute Schmerzen dauern mehr als fünf/sechs Wochen und als chronisch werden Rückenschmerzen dann bezeichnet, wenn sie länger als drei Monate Leid verursachen. Die Therapie von chronischen Rückenschmerzen ist Teil der Physikalischen Medizin und der der sogenannten Interdisziplinären Schmerzmedizin.
Auswirkungen auf die Gesellschaft
Rückenschmerzen stellen nicht nur ein individuelles, sondern auch ein kollektives Problem dar, wie weiters im Buch diskutiert wird. Sie haben einen großen Schaden für die Volkswirtschaft und durch Rückenschmerzen verursachte Krankenstände und Behandlungen sind mit hohen Kosten verbunden. Alleine in Wien liegen die Behandlungskosten bei 174 Millionen Euro jährlich. Rückenschmerzen sind die zweithäufigste Ursache für Krankenstände und Arbeitsunfälle. 80 Prozent der Rückenschmerzen gelten dabei als unspezifisch, für den Rest der Rückenschmerzen sind jedoch organische Ursachen verantwortlich: Bandscheibenvorfälle, bestimmte Infektionskrankheiten oder Absiedelungen von Tumoren. Gerade bei unspezifischen Rückenschmerzen sollte kein „overdoctoring“ erfolgen und Bettruhe ist ebenso (meist) nicht gefragt. Überhaupt können Betroffene selbst viel gegen die Schmerzen tun – ein Umstand, den Crevenna und sein Autor*innen-Team im Buch mehrmals betonen.
Primär Betroffene
Es gibt einige Risikofaktoren für Rückenschmerzen, wie Barbara Wagner in ihrem Kapitel des Buches erläutert: Rauchen, Übergewicht, Alter, weibliches Geschlecht, falsch ausgeführte Bewegungsabläufe und Fehlhaltungen, körperlich anstrengende bzw. sitzende Tätigkeit, Bewegungsmangel, ungünstige Arbeitsplatzgestaltung, die Ausführung psychisch belastender Arbeit sowie weitere psychologische Faktoren wie Stress, Angst oder Depression. Zudem nennt die Ärztin auch weitere Risikofaktoren für die Entwicklung chronischer Schmerzen: Schlechte Schmerzbewältigungsstrategien, höhergradige Funktionseinschränkungen, ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand, psychiatrische Erkrankungen oder nicht-organische Symptome. Laut Wagner sind die Prognosen für Schmerzen im unteren Rücken zum Glück optimal, bei ca. 70 bis 90 Prozent der Patient*innen verbessern sich die Symptome innerhalb von sieben Wochen.
Tipps gegen Rückenschmerzen
Wer von Rückenschmerzen geplagt wird, sehnt sich womöglich nach Ruhe, dabei ist gerade Bewegung gut. Vor allem bei subakuten oder chronischen Schmerzen sollte der Alltag nicht bzw. nicht zu sehr eingeschränkt werden, sondern stattdessen auf Rückenübungen gesetzt werden. Barbara Wagner betont weiters die Relevanz von Wärmeanwendungen (wie Bäder, Wickel, Moorpackungen). Menschen, die sehr stark von den Schmerzen beeinträchtigt seien, können auch von Maßnahmen wie kognitiver Verhaltenstherapie, Achtsamkeitsübungen oder Yoga profitieren, so die Expertin. Gegebenenfalls können auch Schmerzmittel helfen, besonders eignen sich nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Paracetamol.
Richard Crevenna nennt physikalische Therapiemaßnahmen, die ebenso als Therapie in Frage kommen können: Wärme, Physiotherapie, Massagen, elektrotherapeutische Applikationen und vor allem Bewegung (z.B. Medizinische Trainingstherapie). Auch er betont die Relevanz von Wärme und Bäderheilkunde und verschiedene Formen von Therapien wie Ultraschall-, Licht-, Laser- und Elektrotherapie. Es seien primär nicht-medikamentöse Behandlungen vorzuziehen, ebenso könne eine Trainingstherapie im Rahmen einer multidisziplinären Rehabilitation und Therapie vollzogen werden, letzteres bestehe aus einer Kombination von physikalischen Maßnahmen. Auch Akupunktur, achtsamkeitsbasierte Stressreduktion, Tai Chi, Yoga und progressive Muskelentspannung (nach Jacobson) können helfen. Zum Thema Information und Edukation (früher Rückenschule genannt) heißt es von Richard Crevenna: „Insgesamt soll die Bewältigungskompetenz bei Problemen mit dem Rücken verbessert werden. Die Vermittlung rückengerechten Verhaltens sowie von Atem- und Entspannungstechniken und die aktive Kräftigung der Bauch-, Beckenboden- und Rückenmuskulatur sind neben einer gezielt vermittelten Information und Edukation wesentliche Bestandteile derartiger Programme. Sie umfassen insbesondere Wissens- und Informationsvermittlung zum Rücken sowie Hinweise zur Verhaltens- und Verhältnispräventation, Körperwahrnehmung Verbesserung der motorischen Grundeigenschaften, Haltungsschulung, Entspannungsmethoden, Stress- und Schmerzbewältigung.“
Prävention
Die Psychologin und Psychotherapeutin Margarete Steiner betont wiederum, dass vor allem unspezifische Rückenschmerzen mit Belastungen auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene einhergehen. Auch sie verdeutlicht den Nutzen der Bewegung, um aktiv an der eigenen Heilung beizutragen. Zum Arzt sollte man wiederum gehen, wenn die Rückenschmerzen einen untypischen Verlauf zeigen, Therapien nicht anschlagen und die Schmerzen anhalten oder sogar zunehmen. Zudem sei bei folgende Symptomen ein Arztbesuch ratsam, wie Steiner erläutert: (Zunehmende) Muskelschwäche, Lähmungen, Gefühlsstörungen an Armen, Beinen oder im Genitalbereich. Zur Prävention empfiehlt sie, einen überwiegend sitzenden Lebensstil (lange Autofahrten, ergonomisch falsche Sitzhaltung und falsche Pausengestaltung) – wenn möglich – zu vermeiden. Der eigene Arbeitsplatz sollte ergonomisch eingerichtet werden (Blick auf Augenhöhe, volle Sitzfläche des Sessels ausnützen, Sitzposition wechseln) und auch die tägliche Schlafhygiene ist von Bedeutung (kühles Zimmer, genügend Luft und Luftfeuchtigkeit, wenig Licht, keine elektrischen Geräte im Schlafzimmer, keine späten Mahlzeiten, kein Alkohol und Nikotin, Bett, Lattenrost und Matratze sollten zum eigenen Körper passen). Mentale Techniken wie progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder autogenes Training sowie Biofeedback können helfen. Und nicht zuletzt: Bewegung.
Richard Crevenna: „Rückenschmerzen – vorbeugen und aktiv behandeln“;
Reihe Gesundheit.Wissen; MedUni Wien im MANZ Verlag;
ISBN 978-3-214-02529-8, 208 Seiten, 23,90 Euro;
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