Um sich Listen mit Wörtern zu merken, lesen die meisten Menschen sie hinauf und hinunter und versuchen, sich die einzelnen Wörter einzuprägen. „Länger und besser merkt man sich Wörter, wenn man sie mit einer Geste verknüpft“, sagt Manuela Macedonia vom Institut für Information Engineering der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU).
Denn dann schalten sich zwei Gedächtnissysteme zusammen: Das deklarative Gedächtnis, das für das Wissen zuständig ist. Und das prozedurale Gedächtnis, das für das Können zuständig ist. Was man sich durch rein geistige Aktivität, also durch das deklarative Gedächtnis, zu merken versuche, vergesse man leicht, erklärt die Kognitionspsychologin. Die Lösung: Indem man beim Aussprechen eines Wortes auch eine Bewegung ausführt, werde das prozedurale Gedächtnis dazugeschaltet.
Netzwerke speichern Wörter länger
Macedonia spricht dabei von „Embodiment“: Im Gegensatz zu den Theorien von Rene Descartes aus dem 18. Jahrhundert, denen zufolge Körper und Geist zwei getrennte Einheiten sind, vertrete die Theorie des Embodiment, „dass unsere geistigen Fähigkeiten mit körperlichen Grundlagen verbunden sind.“
Durch das Ausführen einer Geste zu einem Wort werden große Netzwerke im Gehirn geschaffen, die mehrere Gehirnregionen zusammenschließen. Und das sei auch in der Kernspintomographie sichtbar: „Lässt man Proband*innen Wörter vorlesen, die sie mit Bewegung gelernt haben, sieht man, dass dabei auch jener Gehirnbereich, der den Körper steuert, aktiv wird. Ganz so, als würde er gerade eine Bewegung vorbereiten und ausführen.“
Im Grunde könne man jede beliebige Bewegung ausführen, sagt Macedonia: Etwa zu jedem Wort, das man laut ausspricht, die Hände aneinander reiben oder in der Nase bohren. In ihrer Forschung habe sie aber herausgefunden: „Je länger eine Bewegung zu einem Wort ausgeführt wird, umso besser merkt man sich das Wort. Ikonische Gesten, die das Wort in irgendeiner Weise darstellen, schnitten aber besser ab als zufällige Gesten“.
Erinnerung an Kaiserschmarrn
Für die Schule können diese Erkenntnisse von großem Nutzen sein, so Macedonia: „Das Lernen wäre nicht nur effizienter, sondern würde den Kindern auch mehr Spaß machen.“ Und auch für ältere Menschen sei das Training des Gehirns in Verbindung mit Bewegung wichtig, etwa beim Erlernen einer Fremdsprache oder eines Musikinstruments. Denn dadurch können sie das gewonnene Wissen besser und länger speichern.
Nicht einmal durch Demenz sei das prozedurale Gedächtnis außer Kraft zu setzen. Ein Mensch, der an Demenz erkrankt ist, könne vielleicht die Frage nach dem Rezept für Kaiserschmarrn nicht beantworten, so die Kognitionspsychologin: „Wenn Sie ihm aber die Zutaten hinstellen, wird er höchstwahrscheinlich einen Kaiserschmarrn zubereiten können. Das Wissen, das im deklarativen Gedächtnis abgespeichert war, hat er zwar nicht mehr, dafür aber das Können. Und Wissen und Können ergänzen einander.“
Der Artikel „Visual recognition of words learned with gestures induces motor resonance in the forearm muscles“ wurde in „Nature Communications“ veröffentlicht.