Verschwörungstheorien sind relativ weit verbreitet und in Zeiten von Fake News aktueller denn je. Ein Historiker erklärt, wie sie enstehen und wer eigentlich daran glaubt.
Jede*r Zweite glaubt alternativen Theorien
Daran glaubt doch sicher niemand wirklich, oder? Nun ja, doch. Verschwörungstheorien sind gängiger als man meinen könnte. Der Historiker Claus Oberhauser von der Uni Innsbruck ist Teil des Forschungsnetzwerks COMPACT, das Verschwörungstheorien dokumentiert und den Umgang mit ihnen erklärt. Er weiß, wie allgegenwärtig diese alternativen Theorien sind.
“Wir diskutieren immer wieder, ob wir vielleicht einen Forschungsgegenstand erzeugen, der nur eine Minderheit betrifft. Das stimmt aber nicht.” Zwar gäbe es keine eindeutigen Zahlen dazu, so Oberhauser. Man könne aber aufgrund verschiedener Untersuchungen davon ausgehen, dass in etwa jede*r zweite Europäer*in an zumindest eine Verschwörungstheorie glaubt.
Alles Verrückte?
Wer jetzt überrascht ist, hat sich vermutlich die typische Person, die an Verschwörungstheorien glaubt, als einen gewissen Stereotyp vorgestellt. Das Klischee sieht so aus: männlich, weiß, niedriger Bildungsstand, arbeitslos. Doch die Datenlage zeige, so der Historiker Claus Oberhauser, dass es in jeder sozialen Schicht Menschen gibt, die an Verschwörungstheorien glauben.
Man muss also keinem bestimmten Typ entsprechen, um anfällig für die sogenannte „echte Wahrheit“ zu sein. Doch wie kommt man dann dazu? Am Anfang einer Verschwörungstheorie stehen oft Krisen und neue Situationen, die ein subjektiv empfundenes Gefühl der Unsicherheit auslösen. “Damit sich Verschwörungstheorien verbreiten können, braucht es meistens eine größere Krise oder Katastrophe als Katalysator: so etwas wie Revolutionen, Erdbeben, Pandemien. In diesen Zeiten sucht man nach einem Sinn”, so der Experte Claus Oberhauser.
Die Rolle von Kultur und Medien
Ein Teil von Verschwörungstheorien sind auch immer kulturelle Gegebenheiten. Sie werden oft jenen in die Schuhe geschoben, die sehr einflussreich sind. Ein klassisches Beispiel dafür sind die Freimaurer, eine Geheimgesellschaft, die angeblich hinter den Kulissen der Welt die Fäden in der Hand hält. Viele alternative Theorien beziehen sich auf Politiker*innen und Prominente.
Kompliziert ist hier die Rolle der Medien. Als Journalist*in will man zwar offensichtlichen Unwahrheiten keine Bühne bieten, da es teils schwierig ist, sich genug von ihnen zu distanzieren. Gar nicht über sie zu berichten wäre allerdings auch keine Lösung, so der Historiker Claus Oberhauser: “Totschweigen bringt noch weniger, denn sie verbreiten sich ohne etablierte Medien.”
Soll heißen: Wer an Verschwörungstheorien glaubt, vertraut auch häufig nicht den Mainstream-Medien und sucht sich seine „Informationen“ an anderen Orten. In Verruf geraten sind in diesem Zusammenhang soziale Medien wie YouTube und WhatsApp, da Falschmeldungen dort selten überprüft werden. Ein erstes Warnzeichen dafür, dass sich jemand von der Gesellschaft abgrenzt und sich alternativen Theorien zuwendet, ist der Vertrauensverlust in etablierte Medien. In schlimmen Fällen kann das bei den Betroffenen zu Paranoia führen. Mehr Informationen zum Umgang mit Verschwörungstheorien finden sich auf der Website des Forschungsnetzwerks COMPACT.