„Wie viele Häftlinge sitzen in Österreich im Todestrakt?“ – Fragen wie diese zur vermeintlichen Existenz der Todesstrafe in Österreich wurden im Rahmen einer Studie am Zentrum für Public Health der MedUni Wien gestellt. Fast jede*r Fünfte beantwortete mindestens eine der Fragen falsch.
Zurückzuführen sei das auf Crime Shows aus den USA, sagt Studienleiter Benedikt Till: Je häufiger diese von den Befragten konsumiert wurden, umso höher war die Wahrscheinlichkeit, dass fälschlicherweise geglaubt wurde, in Österreich gebe es die Todesstrafe.
Häufiges Thema in Serien und Filmen
Während die Todesstrafe aber hierzulande schon 1950 abgeschafft wurde, nimmt sie im Justizsystem der USA immer noch einen zentralen Stellenwert ein. Dementsprechend häufig kommt sie auch in Serien und Filmen vor. 12,5 Stunden pro Woche sahen jene 18 Prozent der Befragten, die mindestens eine Frage falsch beantworteten, im Durchschnitt US-Crime-Shows.
Zum Vergleich: Bei jenen, die alle Fragen richtig beantworteten, waren es nur 7,5 Stunden pro Woche – „ein deutlich geringerer Konsum“, sagt Till. Auf Faktoren wie Geschlecht, Alter und Bildung lasse sich der Zusammenhang nicht zurückführen, so die Studienautor*innen.
Verwirrung meist nur vorübergehend
„Wir speichern andauernd Informationen ab – auch wenn wir fernsehen. Wir vergessen aber relativ schnell, woher wir die Informationen haben. Und je mehr wir fernsehen, desto mehr falsche Informationen werden abgespeichert“, erklärt Till. Je mehr US-Crime-Shows angesehen werden, desto mehr falsche Informationen zum US-Justizsystem werden also abgespeichert, die Wahrnehmung der Realität vermischt sich.
„Wenn wir uns dann ad hoc zu einem Thema äußern, ohne längere Zeit darüber nachgedacht zu haben, kann es passieren, dass wir aufgrund von abgespeicherter ,Falschinformation‘ eine inkorrekte Aussage machen“, so Till. „Temporäre Konfusion“ nennt der Psychologe dieses Phänomen.
Es sei durchaus möglich, dass die Proband*innen die Fragen zu einem späteren Zeitpunkt und in einem anderen Kontext richtig beantworten. Till bezeichnet es sogar als „sehr wahrscheinlich“, dass dieselben Befragten die direkte Frage „Gibt es in Österreich die Todesstrafe?“ mit einem klaren Nein beantwortet hätten.
Massenmedien und Mythen
Die „temporäre Konfusion“ sei bisher zwar nur in Verbindung mit US-Crime-Shows und der Todesstrafe untersucht worden, das bedeute aber nicht, dass es den Effekt nicht auch in Bezug auf andere Fernsehgenres und Themen gebe, sagt Till: „ Aus der Medizin und Psychologie sind uns viele Mythen und ,Urban Legends‘ bekannt.“
Als Beispiel nennt Till die sogenannten „Suizid-Mythen“: Der Glaube, jemanden auf Suizidgedanken anzusprechen, könne dazu führen, dass diese Person einen Suizidversuch unternimmt. Auch hier könne der Konsum von Massenmedien „eine entscheidende Rolle spielen“.
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