Er lebt in unterirdischen Bauten, ist in Wien vor allem in den Bezirken Favoriten, Simmering, Floridsdorf und Donaustadt zu finden und hält sechs Monate Winterschlaf: Der Feldhamster wurde 2024 zum „Tier des Jahres“ gewählt – und er ist nur eines von vielen Tieren, das in der Stadt sein Zuhause gefunden hat. Das Projekt „StadtWildTiere“ fokussiert seit 2013 auf Wildtiere im urbanen Raum, darunter versteht man Tiere, die dem Menschen nicht als Haus-, Nutz- oder Zuchttiere dienen und nicht domestiziert sind. Mittlerweile können in 13 Städten in Österreich, Deutschland und der Schweiz Wildtiersichtungen online gemeldet werden.
„Als Citizen Science-Plattform bieten wir Bürger*innen die Möglichkeit, sich aktiv an Forschungsprojekten in der Region zu beteiligen. Wissenschaftler*innen profitieren von den zahlreichen Sichtungsmeldungen von Wildtieren, welche nur durch die Beteiligung der Bevölkerung möglich sind“, erklären der Zoologe Richard Zink (Vogelwarte an der Vetmeduni Wien) und die Wildtierökologin Fabienne Selinger (Verein „Entdecke und bewahre Natur“). Die Wissenschaft profitiert dabei von den Daten, die die Bevölkerung sammelt: „Durch die Erfassung und Dokumentation der Wildtiere können gezielte Schutzmaßnahmen ergriffen werden, um die Lebensräume zu erhalten und das Zusammenleben von Mensch und Tier in der Stadt zu verbessern.“
Aktuelle Studie zu Wildtieren
Die Stadtökologie ist ein noch junges Gebiet und städtische Wildtiere standen bisher kaum im wissenschaftlichen Fokus. Kürzlich wurde eine Studie über das Projekt durchgeführt, mit dem Ziel, dessen Nutzen zu untersuchen. In der Studie verglichen die Wissenschafter*innen die Wildtierbeobachtungen in Wien, Berlin und Zürich miteinander – und stießen dabei auf unerwartete Unterschiede: „Während in Zürich überdurchschnittlich viele Dachse und Eichhörnchen gemeldet wurden, dominierten in Berlin die Wildschweine und Waschbären, und in Wien wurden die Hasen am häufigsten gesichtet.“
Begegnungen analysieren
Dabei könnten die Größe und die Bebauungsdichte einer Stadt eine Rolle spielen, ebenso das Klima und das Angebot an geeigneten Grünflächen oder die geografische Lage und die historische Entwicklung der Städte.
„StadtWildTiere ermöglicht es uns, zuvor verborgene Muster und zeitliche Trends zu erkennen, z. B. im Rahmen von städtischer Verdichtung und Hitzeinsel-Effekten (insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel), und kann somit zukünftig auch als Sensor für Interaktionen zwischen Mensch und Wildtier dienen.“
Wildtiere in der Stadt
Der Bestand an Wildtieren wird dank des Projekts über einen größeren geographischen Raum und über eine längere Zeit untersucht und die gesammelten Daten lassen Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Tierwelt von Städten zu. „Gemeinsam mit der Bevölkerung arbeiten wir daran, die Städte wildtierfreundlich zu gestalten und wollen geeignete Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität ergreifen.“
Es gibt viele Möglichkeiten, um eine Stadt wildtierfreundlich zu gestalten, erklären die Expert*innen: So bieten Straßenbegrünungen den Tieren Deckungsmöglichkeiten und teilweise auch Lebensraum. Dank Trittsteinbiotopen können sie wiederum Pausen einlegen. Wiesen sollten nicht gemäht werden, denn wilde Grünflächen fördern durch ihren meist hohen Anteil an Wildblumen die Insektenpopulation. Auch der Zugang zu Gewässern ist – vor allem im Sommer – sehr wichtig, der Zugang zu Ufern sollte daher nicht zu steil gestaltet sein. Schlussendlich ist die Wahl der richtigen Beleuchtung bedeutend – Kunstlicht muss sparsamer, effizienter und gezielter eingesetzt werden.
Darüber hinaus kann das Wissen auch relevant für künftige politische Entscheidungen sein: „Für politische Entscheidungen, sei es in der Städteplanung oder anderen naturfachlichen Entscheidungsprozessen, wollen wir wissenschaftlich fundierte Grundlagen bereitstellen. Im Sinne der Wildtiere aber auch im Hinblick auf ein gutes Zusammenleben beraten wir gerne“, sagen Richard Zink und Fabienne Selinger abschließend.