Schrödingers Katze Schrödingers Katze

Der österreichische Wissenschaftsblog
43.000+ Fans

Load previous items
31. Januar 2020

Ein zweites Leben als Handtuch

Von Schrödingers Katze
Mobilität, Technik & Zeit
Immer mehr Altkleider werden gespendet, doch vieles davon kann nicht wieder verkauft werden. Und was nicht verkauft werden kann, kann auch (kaum) recycelt werden.

Altkleider und andere gebrauchte Textilien lassen sich schlecht recyceln, deshalb werden sie meist verbrannt. ForscherInnen der TU Wien haben erste Fortschritte beim Textil-Recycling gemacht.

Rollen mit unterschiedlich gefärbtem Stoff liegen auf einem Regal in einer Fabrikshalle.

10.850 Liter Wasser für eine Jeans

Laut Global 2000 werden pro Jahr allein in Österreich 26.000 Tonnen Kleidung bei der Altkleidersammlung entsorgt, weitere 75.000 Tonnen landen im Restmüll. Das ergibt pro ÖsterreicherIn ein Gewicht von 11,2 Kilogramm oder umgerechnet 35 Kleidungsstücke, die pro Jahr weggeworfen werden.

Gleichzeitig ist die Produktion von Textilien extrem ressourcenintensiv: Um ein einziges T-Shirt aus Baumwolle zu produzieren, braucht es 2.720 Liter Wasser. Für eine Jeans werden sogar 10.850 Liter Wasser benötigt. Zudem sind die globalen CO2-Emissionen der Kleidungsproduktion so hoch wie die des Flug- und Schiffverkehrs zusammen.

Textil-Recycling: Die Enzym-Lösung baut die Baumwolle ab, sodass nur der Polyester übrig bleibt.
Foto: TU Wien/Piribauer.

Nur ein Prozent wird recycelt

Altkleider werden – so sie nicht im Restmüll landen – hierzulande meist von karitativen Einrichtungen gesammelt, sortiert und verkauft. Was nicht verkauft werden kann, wird verbrannt, denn beim Recycling von Textilien steckt die Industrie noch in den Kinderschuhen. Nur ein Prozent der für Kleidung verwendeten Materialien wird recycelt. „Man spricht zwar heute von der Industrie 4.0, beim Recyceln sind wir aber bei noch bei Version 1.0“, urteilt Andreas Bartl von der Fakultät für technische Chemie der TU Wien.

Das liegt in der Natur der Sache: Um Materialien wiederverwenden zu können, müssen diese in einen entsprechenden Rohstoff umgewandelt werden. Besteht ein Kleidungsstück nur aus einem Material, wie etwa Baumwolle oder Polyester, können die Fasern ohne großen Aufwand wiederverwertet werden. Je mehr Bestandteile ein Textil hat, desto komplizierter ist der Recycling-Prozess, meint Bartl. Sportkleidung beispielsweise bestehe oft aus fünf oder mehr verschiedenen Materialien und sei so unmöglich zu recyceln.

Der Recycling-Polyesterfaden, den die ForscherInnen von TEX2MAT aus Leintüchern hergestellt haben.
Foto: Andritz Gloggnitz / Postl.

Ein zweites Leben für Leintücher

Andreas Bartl ist Teil des Forschungsprojekts TEX2MAT der TU Wien. Dem Team ist es gelungen, Textilien, die aus zwei verschiedenen Materialien bestehen, zu recyceln. Der Ausgangsstoff waren weiße Leintücher aus Baumwolle und Polyester, wie sie täglich in großen Mengen in Hotels und Krankenhäusern anfallen. Die Baumwolle macht die Leintücher anfällig für Löcher: Sie saugt sich beim Waschen mit Wasser voll, schwillt an und schrumpft beim Trocknen wieder auf die ursprüngliche Größe zurück. Das zehrt an den Fasern, bis sie schließlich reißen. „Nach zirka hundert Waschgängen sind die Leintücher dann am Ende ihres Lebenszyklus angekommen“, sagt Bartl.

Baumwollfasern reißen wesentlich schneller als Polyester, weshalb sich Polyester einfacher recyceln lässt. Die Leintücher wurden von dem Forschungsteam mit einer wässrigen Enzym-Lösung gewaschen, um den Polyester herauszufiltern. Das Enzym zersetzt die Zellulose der Baumwolle zu Zucker – genauso, wie Enzyme das in Tiermägen mit Pflanzenfasern machen.

Die aus den Leintüchern herausgefilterten Polyesterfasern.
Foto: TU Wien/Piribauer.

Druck auf Firmen steigt

Die übrig gebliebenen Polyesterfasern werden zu einem Granulat eingeschmolzen, aus dem anschließend wieder Fäden gesponnen werden. Das Endprodukt des Projekts liegt bereits vor: Die Firma Herka in Oberösterreich hat daraus Handtücher produziert. Eine anderes österreichisches Unternehmen, die Firma Lenzing, versucht sich am Baumwoll-Recycling, jedoch nur in geringem Ausmaß. „Die Menge, in der Baumwolle derzeit recycliert wird, zeigt, dass wir in diesem Bereich noch ganz am Anfang stehen“, so Andreas Bartl.

Das könnte sich allerdings in den nächsten Jahren ändern. Denn ab 2025 gilt eine neue EU-Richtlinie, nach der alle Alttextilien getrennt gesammelt werden müssen. „Es steigt der Druck auf Firmen, Geld in die Hand zu nehmen und in Forschung zu investieren“, meint Bartl. Das Prinzip von TEX2MAT soll in Zukunft so auch in der Industrie angewendet werden. Fortschritte in der Recycling-Forschung wie diese sind allerdings noch rar, weswegen Textilien wohl weiterhin hauptsächlich auf der Deponie landen werden.


Dr. Andreas Bartl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook Like-Button. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
Weitere Informationen

Teile den Beitrag auf

Facebook
Twitter
Monatliche Updates in deiner Inbox!

Diese Artikel solltest du ebenfalls lesen

  • Ein Person hält ein Smartphone in der Hand, auf dem ChatGPT geöffnet ist.

    Energiefresser Künstliche Intelligenz

    März 27, 2025
  • Ein Screenshot aus dem Game "Open Reassembly" zeigt die Fragmente der Platte und im Hintergrund den Ausgrabungsort.

    Reassembling an Ancient Altar Slab Using an Online Game

    Februar 7, 2025
  • Verlässlicher Helfer: der Roboterarm an der TU Wien.

    Putzende Roboter

    Dezember 12, 2024
« Es wird stickig
Störung im Betriebsablauf »

Forschung, die unser Leben verbessert

  • Psyche

    Psyche

  • Allgemein

    Allgemein

  • Matrix

    Matrix

  • Naturwissenschaft

    Naturwissenschaft

  • Mobilität, Technik & Zeit

    Mobilität, Technik & Zeit

  • Forscher*innen

    Forscher*innen

  • Astronomie & Sci-Fi

    Astronomie & Sci-Fi

  • Erde

    Erde

  • Kommunikation/Sprache

    Kommunikation/Sprache

  • Philosophie & Geschichte

    Philosophie & Geschichte

  • Medizin

    Medizin

  • Natur & Umwelt

    Natur & Umwelt

  • Dinge

    Dinge

  • Ernährung

    Ernährung

  • Kunst & Kultur

    Kunst & Kultur

  • Liebe/Geschlechter

    Liebe/Geschlechter

  • Faktencheck

    Faktencheck

  • Innovation

    Innovation

  • Gesellschaft

    Gesellschaft

  • Urbanismus

    Urbanismus

  • Ungleichheit

    Ungleichheit


Lesetipps in vielen Sprachen
Gesellschaft

Aktiv werden

Katzenpost

PapierfliegerDu hast Vorschläge zu Themen, die wir behandeln sollen? Dann schick sie uns!

Mit der Verwendung des Kontaktformulars nimmst du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

    Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

    Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
    Weitere Informationen

    Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.

    Mehr Informationen
    Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
    Schrödingers Katze
    • › Impressum
    • › Datenschutz
    • › Über uns
    • › Kontakt