Tabak, Alkohol, Medikamente, illegale Substanzen, aber auch Sex, Shopping, oder Essen – Süchte gibt es viele.
Eine Sucht ist eine psychiatrische Krankheit mit vielen Ursachen, stellen die Medizinerinnen und Sucht-Expert*innen Gabriele Fischer und Arkadiusz Komorowski von der Medizinischen Universität Wien klar: Genetische Faktoren, andere psychiatrische Erkrankungen (wie Depressionen, Angsterkrankungen oder ADHS), körperliche Begleiterkrankungen oder kritische Lebensereignisse können zu Süchten führen. Suchterkrankungen haben – ähnlich wie Diabetes oder Bluthochdruck – einen chronischen Verlauf: „Sie zeigen ein zyklisches Muster mit starkem Verlangen, Kontrollverlust und der Tendenz zu Rückfällen.“ Wird der Konsum unterbrochen, kann es zu negativen Emotionen oder Entzugssymptomen kommen. Viele Suchterkrankungen wirken sich auf Psyche und Körper aus, daher müssen beide Aspekte behandelt werden. Um eine Sucht zu bewältigen, braucht es professionelle Unterstützung: „Die Beendigung der Suchterkrankung erfolgt nicht allein durch Entgiftung oder Entzug, sondern beinhaltet auch die Bewältigung der zugrunde liegenden Verhaltensmuster und psychischen Herausforderungen.“
Tabak, Alkohol und Medikamente
In Österreich sind mehrere Suchtformen stark ausgeprägt: Die Österreicher*innen rauchen viel, ebenso stellt die Sucht nach Alkohol ein Problem dar und es und dazu gibt die Medikamentenabhängigkeit. Gabriele Fischer und Arkadiusz Komorowski kennen die Zahlen: „Der Tabakkonsum betrifft etwa 2,5 Millionen Menschen, wobei die Rate jugendlicher Raucher mit 49 % europaweit an der Spitze liegt. Alkoholabhängigkeit ist ebenfalls relevant, wobei etwa 15 % der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens alkoholkrank werden. Österreich hat den vierthöchsten Pro-Kopf-Alkoholkonsum unter den OECD-Ländern. Die Medikamentenabhängigkeit in Österreich entsteht zum Beispiel durch den Missbrauch von Schmerz- oder Schlafmitteln. Etwa 3 % der Bevölkerung sind von Medikamenten abhängig, wobei rund 1,7 % Benzodiazepine betrifft. Besonders häufig ist der Konsum bei älteren Menschen: In Wien nehmen etwa 14 % der Personen über 75 Jahre regelmäßig Beruhigungs- und Schlafmittel ein.“
Entstehung von Süchten
Die Entstehung von Suchterkrankungen ist vielfältig und individuell. So spielt der familiäre Umgang mit Süchten eine Rolle, ebenso die Adoleszenz und der Lebensstil. Relevant ist eine gute Ernährung sowie ausreichend Bewegung – und ob Pädagog*innen ggf. auffälliges Verhalten thematisieren. In der Adoleszenz sind Jugendliche impulsiver und es steigt ihr Risiko, eine Sucht zu entwickeln. Prävention ist gerade in dieser Lebensphase bedeutend. Zudem zeigen sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern:„Substanzgebrauchsstörungen finden sich überwiegend bei Männern, aber die Anzahl betroffener Frauen nimmt zu. Männer sind häufiger von illegalen Substanzen betroffen, während Frauen bestimmte Ausnahmen aufweisen, wie Medikamentenabhängigkeiten. Geschlechterunterschiede zeigen sich auch bei begleitenden Erkrankungen, wobei Männer häufiger ADHS aufweisen und Frauen eher an Stimmungsstörungen leiden.“
Schlussendlich beeinflusst die genetische Ausstattung einer Person das Risiko für Suchterkrankungen, jedoch betonen die beiden Expert*innen: „Früher gab es die Vorstellung, dass Menschen mit einer spezifischen Persönlichkeit besonders anfällig sind, eine Suchterkrankung zu entwickeln. Das stimmt jedoch nicht.“
Erste Anzeichen
Es ist wichtig, frühzeitig auf mögliche Anzeichen von Suchtproblemen – bei sich selbst oder bei anderen – zu achten: „Verhaltensänderungen wie sozialer Rückzug, Vernachlässigung von Verpflichtungen oder Probleme im persönlichen und beruflichen Bereich können auf ein Suchtproblem hinweisen. Gesundheitliche Symptome wie häufige Krankenstandstage – besonders an bestimmten Tagen wie Montagen – können ebenso Anzeichen für eine Suchtproblematik sein.“
Hilfe
Es gibt in Österreich verschiedene Anlaufstellen für Menschen, die Hilfe bei Suchterkrankungen benötigen, etwa das Anton-Proksch-Institut in Wien. Hier lernen Betroffene über mehrere Wochen alternative Verhaltensweisen im Umgang mit substanzbezogenen und nicht-substanzbezogenen Abhängigkeiten. Weitere Anlaufstellen finden sich etwa auf der Website des öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs , der Suchthilfe Wien, bei den Vereinen Dialog bzw. Grüner Kreis.
Weniger etabliert ist in Österreich die Suchtbehandlung mittels des Einsatzes von Smartphones oder Tablets, dabei könnten internetbasierte Apps die Inanspruchnahme therapeutischer Leistungen forcieren sowie Zugangsbarrieren reduzieren. Letztere sind nämlich weiterhin vorhanden: „Die Herausforderung besteht darin, dass viele Betroffene sich ungern in speziellen ‚Suchtambulanzen‘ vorstellen, daher wäre eine enge Zusammenarbeit mit psychiatrischen Abteilungen wünschenswert.“ Suchterkrankungen werden auch von Psychotherapeut*innen und klinischen Psycholog*innen behandelt, erklären Fischer und Komorowski.
Maßnahmen
Schlussendlich betonten die beiden, dass es politische und gesellschaftliche Maßnahmen braucht, um strukturelle Rahmenbedingungen in der Suchtmedizin zu verbessern. Zudem ist es wichtig, die Angehörigen von Süchtigen zu unterstützen und alle Beteiligten darüber aufzuklären, dass Süchte chronisch verlaufen und Rückfälle kein Versagen bedeuten. Zeitgemäße Therapien fokussieren auf die Verlängerung rückfallfreier Zeiträume sowie auf eine Risikominimierung bei einem Rückfall.
Weiters ist der Ausbau von Diagnose- und Behandlungseinrichtungen von Bedeutung, wobei auch psychiatrische Abteilungen in Spitälern sowie Fach- und Hausärzt*innen eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Suchterkrankungen zukommt.
Buch: „Sucht. Neue Erkenntnisse und Behandlungswege.“ Gabriele Fischer & Arkadiusz Komorowski, MedUni Wien im MANZ Verlag,ISBN 978-3-214-25406-3, 232 Seiten, 23,90 Euro, Bestellungen unter: https://shop.manz.at/shop/products/9783214254063