Der Wirtschaftswissenschafter Jörg Paetzold untersuchte gemeinsam mit den Ökonomen Wolfgang Frimmel und Martin Halla Daten zur Pendlerpauschale in Österreich. Ohne, dass dies das Ziel gewesen wäre, konnten sie dabei beobachten, dass es zu Steuerhinterziehung innerhalb von Familien über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg gibt. Der Einsatz von Big Data ermöglichte diese empirische Studie: „Anhand von anonymisierten Daten der Arbeitnehmerveranlagung aller Österreicher*innen und geocodierten Informationen über den Standort von Steuerzahler*innen konnten wir die tatsächliche Pendlerstrecke mit der Entfernung vergleichen, die die Steuerzahler*innen in ihren Steuererklärungen angaben“, erklärt der Wirtschaftswissenschafter.
Die Höhe der Pendlerpauschale ist dabei in Stufen von der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz abhängig. Die Angaben werden aber nicht streng kontrolliert, daher geben Menschen mitunter eine höhere Stufe an und machen somit eine größere Pendlerpauschale geltend, als ihnen eigentlich zusteht.
Väter und Kinder
Insgesamt untersuchten die Forscher 15.000 Vater-Kind-Paare: Die Väter waren durchschnittlich 47 Jahre alt, deren Kinder 24 Jahre. Konkret verglichen wurden die Anträge, die die Väter auf die Pendlerpauschale in der Vergangenheit gestellt hatten, mit dem allerersten Antrag der jeweiligen Kinder. Das Ergebnis: Ungefähr 30 Prozent aller Pendlerdistanzen werden als zu hoch angegeben. Machte ein Vater in der Vergangenheit eine zu hohe Pendlerpauschale geltend, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder dies im späteren Leben ebenso tun – und zwar um 23 Prozent. Im Durchschnitt schlugen die Väter rund 184 Euro zu viel Pendlerpauschale für sich heraus, bei ihren Kinder lag der durchschnittliche Wert bei 237 Euro. Die Kinder erschlichen sich also einen noch hören Betrag als ihre Väter, darüber hinaus konnten die Forscher jedoch kaum offensichtliche Unterschiede feststellen: etwa zwischen Männern und Frauen, Österreicher*innen und Ausländer*innen oder zwischen Akademiker*innen und Nicht-Akademiker*innen. Lediglich Angestellte beantragen häufiger als Arbeiter*innen eine zu hohe Pendlerpauschale. Zudem hält Jörg Paetzold fest: „Wir fanden bereits in einer Vorgängerstudie, dass sich Leute auch am Arbeitsplatz gegenseitig über die Hinterziehungsmöglichkeit ‚anstecken‘. Und wir sehen, dass die Leute, die einmal Steuern hinterziehen und nicht dabei erwischt werden, es dann immer wieder machen.“
Keine Strafverfolgung
Mehr als eine Million Österreicher*innen erhalten jährlich die Pendlerpauschale. Laut einem Bericht der Arbeiterkammer entgehen dem Staat in Österreich jedes Jahr insgesamt zwischen 12 und 15 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und unerwünschte Steuergestaltungen und dazu gehören eben auch falsche Angaben bezüglich der Pendlerpauschale. Zu einer Strafverfolgung kommt es aber nun für niemanden, wie Jörg Paetzold klarstellt: „Aufgrund der anonymisierten Daten haben wir keine Ahnung, wer die Personen sind und wir haben auch kein Interesse daran. Es ging uns nur um die Forschungsfragen. Zudem arbeiten wir nicht im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen.“
Big Data kann auch in vielen anderen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden. Jörg Paetzold erinnert etwa an Studien zu den Leaks aus Offshore-Steuerparadiesen. Für seine Forschungsarbeit hat Paetzold kürzlich den Kurt Zopf Förderpreis erhalten. Der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte „Kurt Zopf Förderpreis für wissenschaftliche Publikationen“ wird seit 2011 von der Universität Salzburg vergeben.