Wer sich durch Gamification einen nachhaltigen Effekt auf sein Leben erwartet, darf die Frage der Motivation nicht außer Acht lassen. Denn ob etwa das Vorhaben, den inneren Schweinehund zu besiegen, wirklich gelingt, hängt vor allem am Warum? Motivation und Belohnung müssen zusammenspielen. Wer nicht bekommt, was er sucht, findet mit wenigen Clicks die nächste App. Und so wie jeder Spieler andere Kicks sucht, bevölkern auch die unterschiedlichsten Theorien über Motivations- und Belohnungsmuster in Videospielen die Wissenschaft und das Internet. Schrödingers Katze hat sie durchstöbert und in drei grundlegenden Motivationstypen zusammengefasst. Eine kleine Spiele-Anleitung.
Der Teamplayer
Videospiele im Allgemeinen, und Gamification-Applikationen ganz besonders, bauen auf unterschiedlichsten Spielmechaniken auf. Teamwork ist dabei ein sehr häufig wiederkehrendes Element. Für den philanthropisch veranlagten Spielertyp steht vor allem die Freude an der Zusammenarbeit im Vordergrund.
In den Augen des Teamplayers ist das Bewältigen einer Herausforderung also in erster Linie eine Gruppenaktivität. Der Mensch ist ein Rudeltier und viele von uns sehnen sich nach sozialen Kontakten, nach Verbindung und Austausch. Aus Mannschaftssportarten ist bekannt: gemeinsam geht alles leichter – und so sind Spiele mit einem “community-focussed”-Ansatz meist sehr erfolgreich.
Ein Spiel, das in erster Linie auf Community und Teamwork setzt ist HabitRPG. Zwar erstellt jeder Spieler individuell Ziele und erhält dafür Erfahrungspunkte – erledigt er seine Aufgaben jedoch nicht, schadet dies allen Mitglieder einer Gruppe. Andere Beispiele sind das GoalBook, das vor allem in Schulprojekten eingesetzt wird, oder World Peace Game. Letzteres ist ein Brettspiel, das auf den ersten Blick Risiko ähnelt, aber das Ziel eines harmonischen Gleichgewichts verfolgt.
Der Einzelkämpfer
Dieser Spielertyp ist quasi das genaue Gegenteil des Teamplayers – am wichtigsten ist ihm, sich im Wettkampf mit anderen zu messen und dabei der Beste zu sein. Der Einzelkämpfer lässt sich daher vor allem durch Belohnungsmechanismen wie dem Sammeln von Auszeichnungen, dem Erzielen von High-Scores oder auch mit Pluspunkten versehener, kontinuierlicher Charakterentwicklung motivieren.
Er setzt alles daran, als Sieger vom Platz zu gehen. Um dies zu erreichen, versucht er, sich ständig zu verbessern und seine Leistung zu steigern. Ein gesunder Konkurrenzkampf, der die individuellen Erfolgs-Sinne beflügelt. Für viele Einzelkämpfer ist die es unwiderstehlich wenn Videospiele ihre Egos massieren.
Versuchskaninchen Philipp hat in seinem Selbstversuch erlebt, wie das Spiel ChoreWars Ordnung in seine WG gebracht hat. Spiele wie Proof oder EpicWin verfolgen ähnliche, kompetitive Ansätze. Ständig steht der User im Vergleich mit seinen Mitspielern.. Die App DuoLingo hingegen verpackt das Lernen einer Sprache in ein dynamisches Level System, inklusive dem Sammeln von Abzeichen und Goldmünzen. Damit können dann weitere Herausforderungen freigeschaltet werden.
Der Freigeist
Das Ausloten von Grenzen, das Entdecken neuer Welten oder das Ausschöpfen von unberührtem, kreativen Potential: Videospiele und virtuelle Räume erschaffen Möglichkeiten, die in der Realität verborgen bleiben. Getrieben von Neugier strebt dieser Spielertyp nach Freiheit und Autonomie: ein enges Korsett an Regeln und allzu lineare Abläufe lehnt er ab.
Vielmehr ist der fantasievolle Freigeist auf der Suche nach etwas, dass seinem Leben einen neuen Anstrich verleihen kann. Abwechslungsreiche Spielmechaniken, die es dem Teilnehmer selbst erlauben, aktiv und gestalterisch ins Geschehen einzugreifen, wecken bei diesem Charakter das größte Interesse – und steigern somit auch die Langzeitmotivation.
Das bereits in unserem Teaser erwähnte FoldIt zum Beispiel besteht nur aus wenigen Grundregeln, wie gewisse Proteinstrukturen zu falten sind. Die darauf folgenden Herausforderungen sind schier endlos und beanspruchen die Kreativität der Spieler. Zombies, Run! schafft es mit viel Witz und gutem Storytelling den täglichen Sport etwas Interessanter zu gestalten. Pain Squad will ebenfalls eine an sich langweilige Aufgabe spannend gestalten und verpackt das Dokumentieren des Krankheitsverlaufs junger Krebspatienten in eine Kriminalgeschichte.
Der Hybrid
Weil Menschen aber nicht einfach schwarz oder weiß sind entspricht kaum jemand ausschließlich einem dieser Archetypen. Viele von uns sind ein Potpourri, das sich aus den verschiedenen Charakteren zusammenwürfeln lässt. Trotzdem kann diese Einteilung sehr hilfreich sein – nicht umsonst werden ähnliche Klassifizierungen von Game-Designern als Grundstock für die Spieleentwicklung verwendet. In Bezug auf Gamification könnte dies vor allem bei einer Applikation von großem Wert sein: in der Schule.
Die Schule von Morgen
Der Lehrer Christian Haschek benotet seine Schüler nach Spielprinzipien: Quests, Erfahrungspunkte, Level Ups – alles ist dabei. Niemand kennt den Facettenreichtum eines Schülers besser, als die Pädagogen selbst. Mit dem richtigen Blick auf Faktoren wie die genannte Motivationstypen kann jeder Lehrer einschätzen, wie er gewisse Inhalte auf spielerische Art geschmackvoll machen kann.
Hat sich die Bildungspsychologie bereits damit auseinandersetzt? Gibt’s tatsächlich so etwas wie “spielerisches Lernen”? Antworten dazu kommen in Kürze in unserem Interview mit Experten von der Universität Wien.