Das Saxofon ist eine der Instrument-Erfolgsgeschichten des vergangenen Jahrhunderts. Sein Schöpfer Adolphe Sax war ein Musik-Berserker. Der vom Entdeckergeist getriebene Belgier meldet schon mit 24, im Jahr 1838, sein erstes Patent an. Es ging um “ein neues System für Bass, Kontrabass und Klarinette.” Heute würde Adolphe Sax seinen 200. Geburtstag feiern. 45 Patente sollten folgen.
Sein größter Triumph aber, das Saxofon, startet verhalten ins 20. Jahrhundert. Papst Pius X verbot es. Hitler und Stalin ebenso. Für die einen war es das Symbol von „Dschungelmusik“, für die anderen ein Instrument „kapitalistischer Unterdrückung“. Schrödingers Katze fragt nach bei einem, der es wissen muss. Wolfgang Puschnig, einer der bekanntesten Saxofonisten Europas nimmt sich Zeit für ein Gespräch über sein Instrument. Nach einem langen Unterrichtstag an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
“Das Saxofon ist über einen Umweg in unser Bewusstsein gelangt”, sagt Wolfgang Puschnig. Adolphe Sax wollte es als Orchesterinstrument, konnte damit aber nicht Fuß fassen. Über die Jazzmusik wird das Instrument dann plötzlich prominent. “Das hat den einfachen Grund, dass das Instrument mit keiner langen Tradition behaftet war; das war unbebautes Gebiet. Von der Spielweise her waren die Möglichkeiten noch offen. Es war nicht festgelegt, wie etwas klingen soll.” Heute scheint das Saxofon weitgehend gezähmt und kanonisiert.
Puschnig
Wolfgang Puschnig wird 1956 in Klagenfurt geboren. Einen Ferialjob in Deutschland nutzt er dafür, Tag und Nacht „Bitches Brew“ von Miles Davis zu hören. Er weiß recht genau wo er hingehört. In den Strudel aus Freiheit und Kompression, Driften und Punktlandungen namens Jazz.
Das Vienna Art Orchester (VAO) wird eine erste wichtige musikalische Ausdrucksform Puschnigs. Zu Beginn der VAO Jahre spielt man noch mit Fluxus und Dada. 1979 kommt dann der Durchbruch mit „Tango From Obango“. Auftritte bei internationalen Festivals folgen. Puschnigs Saxofon wird zum Markenzeichen der Kombo. Immer mehr geht es Puschnig aber um die Auseinandersetzung mit der eigenen, der regionalen Kultur, der er mit seinem Saxofon Klänge entreißt, die man in der normierten Lesart nicht vermutet hätte. Vor 10 Jahren waren Puschnigs Leistungen der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt die Ehrendoktorwürde wert. Er wurde zum ersten solcherart gewürdigten Musiker in Klagenfurt.
Welches Image hat das Saxofon heute?
Man kann das nicht mehr festmachen, weil es sehr auf die Stilistik ankommt. In welchem Metier wird das Saxofon gespielt? Das Saxofon ist ein sehr populäres Instrument geworden. In der Popmusik passiert gerade etwas weniger, aber in den 1980ern war es sehr prominent. Es ist so wie bei anderen Instrumenten auch. Die aktuellen Modelle klingen einfach viel lauter. Die haben mehr Druck, da geht einfach mehr rein.
Kann man ein Saxofon Stück nur durch die Art wie das Instrument gespielt wird datieren? Gibt’s da Zeit-typische Merkmale?
Ich denke schon. Wie bei allen Instrumenten hat sich das Klangbilld und die Klangvorstellung vom Saxofon über die Jahre geändert. Dadurch, dass es relativ jung ist, ist alles gut dokumentiert. Da kann man die Unterschiede noch hören. Früher war der Klang gedeckter, etwas weicher von der Phrasierung her. Man spielte auch nicht so schnell wie heute.
Für mich war das Saxofon immer an die 1980er gebunden, wo jedes zweite Lied mit einem Sax-Solo verziert wurde.
Ja, die 1980er sind ein spezielles Kapitel. Relativ scharf klingend, würde ich sagen.
War das Saxofon ihr erstes Instrument?
Nein, ich war vorher Flötist. Wie alle österreichischen Kinder habe ich mit Blockflöte begonnen. Dann Violine, da habe ich schnell bemerkt, dass das nicht meins ist. Ich bin ein Bläser. Dann habe ich mir die Querflöte erkoren. Das Saxofon hat sich zufällig ergeben, weil in unserem Proberaum eins herumgestanden ist. Da habe ich reingetutet und das hat mir gefallen.
Die Absicht von Adolphe Sax war es, ein neues Instrument mit dem Charakter eines Streichinstruments zu bauen. Nur mit mehr Intensität und Kraft.
So ist es. Er wollte ein Blasinstrument haben, das so beweglich und so versatil ist wie ein Streichinstrument. Wie eine Violine oder eine Viola. Der hat ja irrsinnig viel Zeug erfunden, das meiste ist halt nicht mehr erhalten.
Gibts aktuell noch neu erfundene Instrumente, die sich durchsetzen? Oder ist das ausgereizt?
(Seufzt) Kann ich schwer sagen. Mir ist nichts zu Ohren gekommen, wenn man jetzt nicht die Elektronik hernimmt. Es gibt immer wieder interessante Sachen, die sich irgendein Wahnsinniger zusammenbaut, das hat’s immer gegeben. Vielleicht ist aber auch die Zeit zu kurz. Vielleicht gibt’s in 100 Jahren etwas, das sich konsolidiert hat.
Merkt man an den Studierendenzahlen etwas von der Popularität des Saxofons?
Man merkt das nicht so stark. Es ist einfach ein populäres Instrument geworden, das auch an den Musikschulen unterrichtet wird. Früher war da die Klarinette vorherrschend. Was ich auch beobachten konnte – es gibt immer mehr weibliche Saxofonspieler. Als ich begonnen habe, war das anders. Da war das Sax eher ein Macho-Instrument.
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Eine widerwillige Auswahl zur Bandbreite des Saxophons, ausgewählt von Wolfgang Puschnig, der sich ziert, aber dann doch wegweisende Musiker nennt.
1903 ist das Saxofon auf dem Weg in die Kirchenmusik. Notbremse Papst Pius X, er verbietet das Instrument. Auch Hitler und Stalin haben das Saxofon verboten.
Das weiß ich nicht, aber ich kann es mir gut vorstellen, weil das Saxofon der „entarteten Musik“ zugerechnet wurde. Das kam ja aus Amerika. Die Schwarzen hatten einen großen Anteil an dieser Musik. No na, das kann nur des Teufels sein, eh klar.
War das Instrument anrüchig?
Dieser Nimbus von Anrüchigkeit kam daher, weil diese Musik in der einzigen Zone entstanden ist, wo sich Schwarz und Weiß vermischen und treffen konnte. Ohne sonstige gesetzliche Beschränkungen. In den Vergnügungsvierteln. Bars, Clubs, Striplokale, ganz egal. Das war ein Ort wo die Rassengesetze plötzlich weggefallen sind. Klar hat das was Anrüchiges.
Warum hat das Sax so perfekt in den Jazz gepasst?
Das Instrument lässt ein sehr breites Spektrum an Klangmöglichkeiten zu. Das war im Jazz ein wesentlicher Punkt für die Musiker. Es ging darum, erkennbar zu sein. Am Klang erkennbar zu sein, das ist eine der höchsten Ehren in dieser Musik. Sicher ein Saxofon klingt wie ein Saxofon. Aber innerhalb des Saxofons gab es so viele Möglichkeiten. Die Großen waren sofort erkennbar. Das ist ja in der Klassik anders. Da gibt es ein Klangideal, dem man sich annähern muss. Da gibt es bestimmte Gesetze, Gesetzmäßigkeiten und Abläufe. Aber im Jazz ist das ganz anders. Da liegt alles an der Eigenverantwortung. Da gibt es kein Ideal. Das Ideal ist, so zu klingen, dass du unter Tausenden erkennbar bist.
Gibt’s aktuelle Saxofonisten, die eigenwillig klingen, aber nicht durch eine Musikuni gingen?
Das darf ich eigentlich nicht sagen, aber ja: natürlich. So hat das ja alles begonnen, da hat es auch keine Jazz-Schulen gegeben. Die Verschulung hat ja genau das unterstützt – dass das Gebiet abgesteckt wurde. Man hat Rezepte gesucht. Rezepte der Vermittlung, Rezepte des Lernens und Lehrens. Abläufe und Muster, die zu verwenden sind. Aber die meisten von früher, vor allem die Großen, waren zu 99 % Autodidakten. Die heutige Generation ist da schon anders. Weil heute auf andere Sachen Augenmerk gelegt wird. Weniger individueller Klang, eher Parameter, was virtuos ist.
Klassisches Schicksal also?
Ja, das liegt in der Natur der Dinge.
Wie viele Stunden spielen die Studierenden pro Woche?
Das ist individuell. Wir haben ja hier kein Konzertfachstudium. Das ist ein Instrumental-Gesang-Pädagogik Studium, wo Menschen ausgebildet werden, die das später unterrichten. In Musikschulen, als Lehrer, im Gymnasium. Das sind die, die dann an vorderster Front sind. Auch von der Stilistik her machen wir hier ja nicht nur Jazz. Das ist viel breiter aufgestellt.
Wie viele Stunden spielen sie für sich selbst?
Für mich? Leider nicht mehr so viel wie in jüngeren Jahren. Ich muss mit den Studenten spielen, wenn ich ein Programm machen muss oder ein Konzert, dann klar, dann muss ich mich dahinter klemmen. Den Luxus, einfach für mich dahinzuspielen, den hab ich nicht mehr. Das geht mir schon manchmal ab.
Sex ’n sin. Sax ’n violins. It’s hell ist ein Zitat aus Talking Heads – Sax and Violins.