Was wir als schön empfinden und warum uns bestimmte Musik, Literatur und Kunst berührt, darüber machen sich Menschen schon seit Jahrhunderten Gedanken. Dabei mag es nicht verwundern, dass WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Disziplinen ebenso Unterschiedliches zum Diskurs über Ästhetik beitragen können. Kommende Woche werden über 200 WissenschaftlerInnen bei der International Association of Empirical Aesthetics (IAEA 2016) über Ästhetik aus der Sicht ihrer Disziplin diskutieren.
Die Lehre vom Schönen
Doch was bedeutet Ästhetik überhaupt? Der Duden definiert Ästhetik als die Lehre vom Schönen. Der Begriff kommt dabei aus dem Griechischen und bezeichnet die Wissenschaft vom sinnlich Wahrnehmbaren.
In unserem Alltag bemerken wir, dass nicht jeder Mensch dasselbe schön findet. Helmut Leder und Michael Forster vom Institut für psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Universität Wien wissen auch, warum das so ist: Es sei eine Vielzahl von Faktoren dafür verantwortlich, was uns gefällt. Manche seien bei vielen Menschen gleich.
Schön durchschnittlich
Bei Gesichtern gelten etwa Durchschnittlichkeit, Symmetrie und Ebenmäßigkeit der Haut als Indikatoren für Schönheit. Jedoch gebe es noch viele weitere soziale Faktoren, die in unseren eigenen, individuellen Lebensgeschichten liegen. „Unser Ziel ist es dabei, herauszufinden, welches Gewicht gemeinsam geteilte Faktoren und welches Gewicht individuelle unterschiedlichen Faktoren beim Zustandekommen des Gefallensurteils haben“, so die beiden Wissenschaftler über ihre Arbeit.
Sozialisation, peers und Vertrautheit
Zudem spielen auch die Sozialisation und unser persönliches Umfeld eine entscheidende Rolle. Leder und Forster konnten nachweisen, dass etwa die Information von StudienkollegInnen oder ExpertInnen darüber, ob ihnen ein Kunstwerk gefalle, einen positiven Einfluss auf unser eigenes Urteil habe. „Wir mögen also, was unseren Peers gefällt, oder durchaus auch, was ExpertInnen als schön empfinden.“
Ein weiterer wichtiger Faktor sei Vertrautheit, so die beiden Experten: „Zahlreiche Studien zeigen, dass wir mögen, was uns vertraut ist. Diese Vertrautheit entwickelt sich unter anderem rein durch wiederholten Kontakt. Das heißt, schon wenn wir wiederholt bestimmten Liedern oder Bildern ausgesetzt sind, gewinnen diese (relativ zu nicht wiederholten) an Vertrautheit und somit Gefallen.“ Außerdem gebe es Studien, die zeigen konnten, dass runde Formen besser gefallen als eckige.
Wozu brauchen wir Schönheit?
Kann man also sagen, dass wir Schönheit brauchen? Leder und Forster meinen, dass der Schönheitssinn steuere, was wir als gut (für uns) erkennen. Zudem haben ihre Studien mit Messungen subtiler Emotionen gezeigt, dass Schönheit kleine Dosen positiver Emotionen auslöst.
Wie würde demnach eine Welt aussehen, in der Menschen keinerlei Ästhetik-Empfinden besäßen? Dazu Leder und Forster: „Vermutlich weniger schön, aber das würde keinen stören. Dadurch, dass die Menschen kein Ästhetik-Empfinden hätten, würde ihnen dann der Unterschied auch nicht auffallen.“
Ästhetik von unterschiedlichen Seiten beleuchten
Nächste Woche werden sich WissenschaftlerInnen unterschiedlicher Disziplinen über Ästhetik austauschen. Wenn etwa ein Psychologe und ein Biologe über Ästhetik reden, meinen sie dann dasselbe? – Wollten wir schlussendlich noch von Leder und Forster wissen.
Die beiden erläutern, dass es innerhalb der Psychologie eine naturwissenschaftliche und eine geisteswissenschaftliche Orientierung gebe. Dabei habe die naturwissenschaftliche Orientierung große Anknüpfungspunkte mit der Biologie. So nutze sie etwa ähnlich definierte und besetzte Begriffe. Die geisteswissenschaftliche Psychologie wiederum stehe der Philosophie näher. Daher könne es vorkommen, dass zwar ein Psychologe und ein Biologe dasselbe meinen, jedoch nicht zwei Psychologen unterschiedlicher Ausrichtungen.
„Das Ziel diese Konferenz ist es jedoch, die WissenschaftlerInnen verschiedenster Disziplinen zusammenzuführen und das spannende Thema der empirischen Ästhetik von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Nur dadurch können wir in diesem vielschichtigen Thema zu neuen und innovativen Erkenntnissen gelangen.“
Daher tauschen sich bei der 24. Konferenz der International Association of Empirical Aesthetics (IAEA 2016) KunsthistorikerInnen oder PhilosophInnen mit Biologen und KünstlerInnen aus.
Autorin: Barbara Fohringer