Sie zählt zu den bedeutendsten frühchristlichen Baudenkmälern Österreichs und hat einige Archäolog*innen vor so manche Herausforderung gestellt: Die Bischofskirche am Lavanter Kirchbichl (Tirol) ist älter als 1.500 Jahre und wurde bis Ende 2022 renoviert. Bereits in den 1950er Jahren wurden die Überreste der Kirche samt den Fragmenten einer Altarplatte aus Marmor freigelegt. Kurz nach Entdeckung der Altarplatte wurden einige Stücke dieser zusammengeklebt, jedoch fehlerhaft und ungenau. Die falsch zusammengeklebten Stücke der Platte wieder richtig zusammenzufügen, ist eine sehr zeitintensive Arbeit, daher konnte die Altarplatte bis heute nicht gänzlich wiederhergestellt werden.
Schwarmintelligenz
Forschende der TU Graz und der Universität Graz haben daher das Projekt „Open Reassembly“ ins Leben gerufen. „In diesem Projekt wollen wir herausfinden, ob solche schwierigen Aufgaben in einem gemeinsamen Prozess durch Mitwirkung einer großen Anzahl – auch fachfremder Personen – in einer virtuellen Umgebung ebenso oder sogar effizienter gelöst werden können als durch einzelne Expert*innen. Zudem wollen wir ermitteln, welche computerunterstützten Hilfsfunktionen in einer virtuellen Umgebung für die Lösung zielführend sind, und welche nicht“, erklärt Reinhold Preiner. Der Informatiker ist Experte für 3D-Computergrafik und Visualisierung und Leiter des Projekts „Open Reassembly“.
Schwierige Aufgabe
Die Aufgabe ist herausfordernd: Die Bruchstücke der Platte sind nahezu texturlos, die Flächen haben eine ähnliche Farbe sowie kein Gravuren, wie eine Inschrift oder ein Reliefdekor, und sind mitunter erodiert. Laut Reinhold Preiner hat die Schwarmintelligenz der User*innen daher Vorteile: „Unser theoretischer Ansatz, Schwarmintelligenz einzusetzen, beruht darauf, dass in einem geeigneten Setup wie unserer virtuellen Online-Plattform ein ‚Schwarm‘ von Teilnehmer*innen gleichzeitig wesentlich mehr Möglichkeiten von Fügungen ausprobieren und durch den kollektiven Vergleich und Bewertung der Fügungen die beste Anpassung herausgefunden werden kann. So kann der Schwarm von Fügung zu Fügung lernen und gemeinsam zum besten Ergebnis kommen.“
Digitalisierung
Bevor das Projekt starten konnte, mussten zuerst die falsch zusammengeklebten Fragmente der Platte getrennt und die Kleberückstände von allen Fragmenten entfernt werden, dies geschah durch ein Team von Restaurator*innen. Danach wurden die gesäuberten Fragmente am Institut für Antike der Universität Graz digitalisiert. „Die Digitalisierung erfolgte sowohl mit dem Streifenlichtscanner als auch mittels Structure-from-Motion basierend auf den ca. 100 Bildern (eine photogrammetrische Methode zur Gewinnung von 3D-Modellen)“, führt Reinhold Preiner aus. Dadurch entstanden sogenannte digitale Zwillinge. Die User*innen können diese in alle Richtungen drehen und virtuell mit anderen Teilen zusammensetzen.
Gemeinsam rätseln
Reinhold Preiner und sein Team setzen auf die Rätselbegeisterten im Netz, die beim Projekt auch Feedback der anderen Mitspieler*innen erhalten und dadurch höher im internen Ranking aufsteigen können.„Wir sind gespannt, welche Spieler*innen die Top-Bewertungen erreichen und werden deren anonyme Usernamen auch auf unserer Webseite veröffentlichen. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Wochen Daten zu mehreren Lösungen sammeln und diese vergleichen können. Dazu freuen wir uns über jede Teilnehmerin und jeden Teilnehmer, die/der auf unserer Plattform mitpuzzelt und so unser Projekt unterstützt.“