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18. August 2022

Rassismus schadet der Gesundheit

Von Schrödingers Katze
Ungleichheit
Rassismus und Diskriminierung sind gesundheitsschädlich, wie Ricarda Nater-Mewes (Universität Wien) in einer aktuellen Studie nachweisen konnte. Betroffene reagieren auf die Häufigkeit von rassistischen Erfahrungen mit körperlichen Stress.

Laut dem Rassismus Report 2021 der Beratungsstelle ZARA (Zivilcourage- und Anti-Rassismus-Arbeit) haben sich im vergangenen Jahr 1.977 Menschen an die Organisation gewendet, um gegen Rassismus vorzugehen. Dabei wird jedoch nur die obere Spitze sichtbar, denn Rassismus ist – neben anderen Diskriminierungsformen – für viele Menschen in Österreich leider Alltag. Sei es im Büro, beim Amt oder einer Verkehrskontrolle, Menschen werden aufgrund von Merkmalen wie Hautfarbe, Herkunft, oder Religion diskriminiert. 

Diese Erfahrungen haben Auswirkungen auf die Gesundheit, wie die Psychologin Ricarda Nater-Mewes an der Universität Wien kürzlich nachweisen konnte. „In der Studie haben wir untersucht, wie sich (chronische) ethnische Diskriminierung auf das Stresserleben und auf psychologische und biologische Parameter bei Männern mit türkischem Migrationshintergrund auswirkt“, so Nater-Mewes. In der Laborstudie wurden 72 Männer mit türkischem Migrationshintergrund untersucht, die Hälfte von ihnen gab an, regelmäßig unter ethnischer Diskriminierung zu leiden, die andere Hälfte erlebte dies nur selten. Im Labor mussten alle Männer Interaktionen erleben, in denen rassistische Diskriminierung ausgeübt wurde. Zudem wurden über zwei Stunden lang weitere Werte der Teilnehmer erfasst – wie etwa Stress, Herzrate und Hautleitfähigkeit. „Des Weiteren wurden Speichelproben zur Bestimmung der aktuellen Werte des Stress-assoziierten Hormons Kortisol und eine Haarprobe zur Bestimmung des mittleren Kortisolspiegels über die letzten drei Monate entnommen“, erklärt Nater-Mewes den Aufbau der Studie. Die Teilnehmer wurden dabei ausreichend über die Studie aufgeklärt und sie hatten jederzeit die Möglichkeit, diese abzubrechen. 

Erhöhter Stress durch Rassismus

Das Ergebnis: Das Erleben von Rassismus und Diskriminierung beeinträchtigt die physische und psychische Gesundheit und führt zu erhöhten Stress bei den Betroffenen. Bei Menschen, die häufig von Rassismus betroffen sind, können die körpereigenen Stresssysteme aus der Balance kommen und ein solches Ungleichgewicht kann weiters zu Krankheiten führen. 

Der menschliche Körper schüttet bei Stress das Hormon Kortisol aus, doch (chronischer) Stress wirkt sich laut der Expertin auf viele Organe aus: Er lässt unsere Herzrate und unseren Blutdruck steigern – und dies kann zu Erkrankungen des Herzes und der Blutgefäße führen. Ebenso kann er negative Auswirkungen auf unseren Magen haben und etwa chronische Verdauungsbeschwerden nach sich ziehen. Muskelverspannungen und negative Auswirkungen auf unsere Immunsystem können eine Folge von Stress sein. Auch die psychische Ebene ist nicht außen vor zu lassen, wie Ricarda Nater-Mewes betont: „Auf psychischer Ebene führt anhaltender Stress zum Beispiel zu Überforderung, schlechterer Stimmung und Schlafproblemen. Er kann auch zu gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen wie z. B. erhöhtem Suchtmittelgebrauch oder ungesunder Ernährung führen, und darüber wiederum zu einer schlechteren Gesundheit bzw. der Entstehung von Übergewicht und Krankheiten beitragen.“

Andere Diskriminierungsformen

Neben Rassismus gibt es weitere Diskriminierungsformen in unserer Gesellschaft wie etwa Ableismus (darunter versteht man die Ungleichbehandlung von Menschen mit körperlichen und/oder psychischen Beeinträchtigungen oder aufgrund von Lernschwierigkeiten), Sexismus, Homo- und Transphobie oder Klassismus (das ist die Diskriminierung und Unterdrückung von Menschen aufgrund ihres vermuteten oder wirklichen sozialen Status). Lassen sich die Ergebnisse dieser Studie also auch auf andere Formen der Diskriminierung übertragen? Dazu Ricarda Nater-Mewes: „Studien bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen fanden tatsächlich ähnliche Ergebnisse wie wir.“ So erwähnt Nater-Mewes Studien, in denen die Stressreaktionen von Personen, die in Staaten mit stärkerer struktureller Diskriminierung aufwuchsen, mit jenen verglichen wurde, die wiederum in Staaten mit geringerer struktureller Diskriminierung aufwuchsen. „Personen, die in Staaten mit stärkerer struktureller Diskriminierung aufgewachsen waren, reagierten in dieser Studie ebenfalls mit einer geringeren Kortisol-Reaktion auf einen Stressor im Labor als Personen, die in Staaten mit geringerer struktureller Diskriminierung aufgewachsen waren“, erklärt die Psychologin.

Rassismus und die Gesundheitsbranche

Auf die Frage, ob es demnach sinnvoll sei, Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen vermehrt auf den Zusammenhang von Rassismus und Gesundheit zu schulen, damit Erfahrungen von Diskriminierungen und deren Auswirkungen besser therapiert und berücksichtigt werden, antwortet Nater-Mewes: „Eine solche Schulung wäre in meinen Augen sehr sinnvoll. Psycholog*innen und Psychotherapeut*innen sollten die gesundheitlichen Auswirkungen von Diskriminierung kennen und diese gezielt ansprechen und ggfs. in der Behandlung berücksichtigen. Daneben kann eine solche Schulung auch dazu beitragen, kulturelle Sensibilität als einen wichtigen Faktor (nicht nur) in der Behandlung von Personen mit Migrationshintergrund zu vermitteln.“

Ethnische Diskriminierung komme häufig in der Gesundheitsversorgung vor und könne dazu führen, dass nötige – auch präventive – Untersuchungen und Behandlungen nicht in Anspruch genommen werden, so Nater-Mewes weiters. „Eine hohe Aufmerksamkeit auf den Bereich der Diskriminierung wäre also für den gesamten Gesundheitsbereich wünschenswert“, hält die Expertin abschließend fest.

Psychologin Ricarda Nater-Mewes
Psychologin Ricarda Nater-Mewes von der Universität Wien © OlgaKretschPhotography

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