Schon vor zirka sechzig Jahren veränderte die Anti-Baby-Pille das Leben vieler Frauen. Über ihre Nebenwirkungen ist dennoch erstaunlich wenig bekannt. Die Neurobiologin Belinda Pletzer von der Uni Salzburg untersucht in der ersten, großen Studie, welche Auswirkungen die Einnahme der Pille auf die Denkfähigkeit von Frauen* hat.
Ergebnis nur spekulierbar
300 Proband*innen beginnen im Zuge der Studie, die Pille zu nehmen. In regelmäßigen Abständen werden ihre kognitiven Denkfähigkeiten sowie die Hirnaktivität bei einer funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) untersucht. Über die Ergebnisse der auf fünf bis sechs Jahre angelegten Studie könne man aufgrund der schlechten Datenlage nur Spekulieren, so Pletzer. Prinzipiell sei eine Veränderung im Gehirn, falls die Forscher*innen eine finden, nichts negatives.
„Das Gehirn wird ab dem Erwachsenenalter als sehr starr und unveränderbar wahrgenommen, obwohl es unglaublich anpassungsfähig ist“, erzählt die Neurobiologin. Dass Hormone es verändern können, sei eine recht neue Idee, und führe immer noch zu Erstaunen.
Es gibt bis heute kaum ähnliche Studien, die untersuchen, was die Pille mit dem Gehirn macht. Pletzer meint, es sei möglich, dass während der Einnahme der Pille dieselben Gehirnareale aktiver sind, wie das bei Frauen, die nicht die Pille nehmen, vor dem Eisprung der Fall ist. Etwa der Hippocampus. Das ist ein Teil des Gehirns, der für Gedächtnis, Emotionen und die Stimmung verantwortlich ist, und der vor dem Eisprung anschwillt.
Hälfte setzt die Pille wieder ab
Zum Vergleich werden auch jene Proband*innen untersucht, die wieder aufhören, die Pille zu nehmen. Das könnten möglicherweise gar nicht so wenige sein. Denn, so die Neurobiologin Belinda Pletzer: „Man weiß, dass etwa fünfzig Prozent der Frauen* die Pille im ersten Jahr wieder absetzen.“ Teilweise liege das an deren Nebenwirkungen. Manche Frauen* vertragen die Pille sehr gut und fühlen sich auch wohler mit als ohne. Andere vertragen sie hingegen gar nicht. Bekannte Nebenwirkungen sind etwa depressive Symptome und Haut- oder Gewichtsveränderungen.
Auch unterschiedliche Anti-Baby-Pillen werden unterschiedlich gut vertragen. Die Proband*innen der Studie nehmen eine von zwei Pillen, die repräsentativ für zwei verschiedene Wirkstoffgruppen stehen. Die eine Pille enthält den Wirkstoff Levonorgestrel, der androgen, also „vermännlichend“ wirkt. Die andere enthält Drospirenon mit dem gegenteiligen Effekt. Ein Nebenziel der Studie sei auch, aufzuzeichnen, welche Pille welche Nebenwirkungen verursachen kann.
Keine Daten zur Hirnveränderung
„Anfänglich wollte man die Pille vor allem sicher und verträglich machen. Damals wurde viel zu Nebenwirkungen wie beispielsweise Thrombose, Migräne oder Übelkeit geforscht“, erzählt die Neurobiologin Belinda Pletzer. Langfristige Veränderungen im Gehirn standen auf der Prioritätenliste nicht so weit oben.
Dennoch sei diese Forschungslücke verwunderlich. „Dass es bis jetzt kaum ähnliche Studien gibt, finde ich erstaunlich, da man ja weiß, dass bei einigen Frauen Stimmungsveränderungen wie depressive Symptome, aber auch eine Verbesserung der Stimmung, auftreten können“, so Pletzer.
Das Forschungsprojekt der Uni Salzburg wird vom Europäischen Forschungsrat mit einem Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro unterstützt.