Angst sichert das Überleben des Menschen: Sie löst Mechanismen im Körper aus, die es ermöglichen, auf gefährliche Situationen schnell reagieren zu können. Furcht kann jedoch übertriebene, krankhafte Züge annehmen. Etwa vor bestimmten Situationen oder Objekten – dann spricht man von einer Phobie – oder aber auch ohne konkreten Grund – einer generalisierten Angststörung. Taucht sie plötzlich auf, spricht man von einer Panikstörung.
Zum Beispiel in der U-Bahn unter vielen Menschen. Obwohl (laut einer Studie des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger) rund zehn Prozent der Bevölkerung an mindestens einer psychischen Erkrankung leiden, werden diese im Bereich der Mobilitätsforschung oder Verkehrsplanung bislang kaum berücksichtigt. Tamara Vlk vom Fachbereich für Verkehrssystemplanung (IVS) am Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung der TU Wien hat sich daher dem Thema gewidmet.
Was ist Phobility?
Im Rahmen einer Studie zu Phobility untersuchte sie gemeinsam mit Projektpartnern wie den Psychosozialen Zentren oder Makam Research die Verkehrsteilnahme von 20 Personen mit diagnostizierten Phobien, Angst- oder Zwangsstörungen im Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr. Dabei wurden die physischen, psychischen und sozialen Barrieren zu einer gleichberechtigen Teilnahme erforscht. Zum Beispiel die Angst vor Überfülltheit der Verkehrmittel, Stigmatisierung durch oder Rücksichtslosigkeit der anderen Verkehrsteilnehmer.
Das Ziel der Phobility-Studie war es, erste Lösungsansätze zu finden und gleichzeitig auch abzuleiten, wo zukünftig Forschungsbedarf besteht. Es zeigte sich zuerst, dass betroffene Personen im Wesentlichen in zwei Gruppen eingeteilt werden können: Diejenigen, die die Fähigkeit verlieren, Situationen als ungefährlich wahrzunehmen. Und diejenigen, die ihre eigenen körperlichen Grenzen ständig als bedroht wahrnehmen und die Fähigkeit verlieren, Ansprüche auf Raum entsprechend einzufordern.
„Bei den identifizierten Mobilitätsbarrieren handelt es sich um beengende oder dunkle Räume, unangenehme Geräuschpegel, andere Fahrgäste oder Verkehrsteilnehmer und fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Stationen und Verkehrsmittel“, sagt Vlk, die jenen Teil des Projekts leitet, der von der TU beigesteuert wird. Auch unvorhergesehene Ereignisse, wie Routenänderungen bei Baustellen oder Fahrplanänderungen, können Angstzustände begünstigen.
Mögliche Lösungsansätze?
Aufgrund der kleinen Stichprobe können keine allgemein gültigen Aussagen getroffen werden. „Dennoch konnten neben Maßnahmen für den Gesundheitsbereich auch Lösungsansätze abgeleitet werden, die aus verkehrsplanerischer Sicht relevant sind“, sagt die Raumplanerin und Verkehrswissenschaftlerin. Sie sollen helfen, situative Ängste für die Betroffenen kontrollierbar zu machen. Dabei handelt es sich insbesondere um gestalterische Maßnahmen in Stationen.
Und um Technologien, die von den Betroffenen direkt mitgeführt werden können. „Laut der Betroffenen sowie Experten sollten die Lösungen so gestaltet sein, dass potenzielle Ängste während der Verkehrsteilnahme hinreichend kontrollierbar sind. Etwa durch Selbstablenkungs-, Selbstberuhigungs- oder Selbstmanipulationstools“, sagt Vlk. Dazu zählen neben Informationsmaterial, technologische Gadgets und auch Sensibilisierungsmaßnahmen der Bevölkerung zur Entstigmatisierung der Betroffenen.
Ängste durch aktive Mobilität in den Griff bekommen
Auch verkehrsplanerische Maßnahmen vor dem Hintergrund der Förderung von aktiver Mobilität – zu Fuß gehen, Radfahren – werden empfohlen. Denn wie Mediziner wissen, wirkt sich aktive Fortbewegung positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Parallel lässt sich durch speziell ausgerichtete Verhaltenstherapien erlernen, mit den Attacken umzugehen, Angst abzubauen oder krankhafte Ängste wieder umzulernen.
Die Ergebnisse der Phobility-Studie wurden in der Schriftenreihe des IVS als Band 39 publiziert. Die Projektergebnisse wurden außerdem im Rahmen der European Public Health Konferenz, die derzeit in Wien stattfindet, vorgestellt. „Natürlich möchten wir die Studienergebnisse auch in Folgeprojekten verwerten, um auch das Bewusstsein für die Thematik und akute Problemlage zu schärfen“, sagt Vlk. Sie hofft, mithilfe der Phobility-Ergebnisse einen wichtigen Anstoß für weitere Forschungsvorgaben gesetzt zu haben.
Autorin: Magdalena Meergraf