Groß ist er nicht. Gerade einmal die Dimension einer Verpackung eines gängigen Orangensaftes: 10 x 10 x 20 cm. Für Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik der Uni Wien kommt es bei Pegasus aber auch nicht auf die Größe an. Was das kleine Ding bringen wird? „Hochqualifizierte Studierende, das ist für mich die Hauptmotivation. Da geht’s jetzt weniger um die Wissenschaft, die wird schon auch anfallen. Aber spannend ist, dass junge Leute schon sehr früh System-Verantwortung übernehmen können.“
Einer dieser jungen Menschen ist Dominik Kohl. Groß, schlaksig, man kann ihn sich gut auf dem Rennrad vorstellen, wie er mit seinem Cousin Bernhard die Landstraßen erkundet. Kohl ist seit drei Jahren Präsident des TU Space Teams. Seine Diplomarbeit hat er in Holland geschrieben, wo er bei einem Projekt der ESA mitgearbeitet hat. Mit seinem TU Space Team sorgt er dafür, dass auch der dritte Satellit mit österreichischer Lizenz ein Produkt der Universitäten ist. Nach der Universität Wien (UniBRITE) und der Technische Universität Graz (TUG-SAT-1) nun also die Technische Universität Wien.
Vor fünf Jahren wurde das Space Team dort gegründet. Dominik Kohl ist von Anfang an dabei. Die Idee kam von einem Kollegen, der in Frankreich studierte, wo es ein ähnliches Programm schon gab. Mit sieben, acht Studierenden hat die Gruppe begonnen. Heute darf sich Kohl Präsident nennen und sein Verein hat rund sechzig Mitglieder. Allesamt Studierende der TU Wien und der Uni Wien. Maschinenbauer, Elektrotechniker oder Architekten – das fachliche Spektrum ist breit.
Einmal Wien – Thermosphäre, bitte.
Bisher ist die Thermosphäre der Erde ein ebenso unwirsches wie unbekanntes Stück Himmel. Die Thermosphäre ist die vierte von fünf Schichten der Erdatmosphäre, liegt über der Strato- und der Mesosphäre, aber unter der äußersten Exosphäre. Ihre Hauptaufgabe: die Erde vor gesundheitsschädlicher Strahlung zu schützen. So viel weiß man. Und, dass sie es mit menschlichen Erkundungsmissionen nicht besonders gut meint. Wenige Monate können sich Satelliten dort halten, bevor sie wieder zurück zur Erde purzeln. Das Projekt QB 50 und Pegasus setzt daher nicht auf den großen Satelliten-Koloss, sondern auf kleinere, agilere Einheiten, die in 200 bis 380 km Höhe ihre Kreise ziehen werden. 55 universitäre Einrichtungen arbeiten weltweit am Projekt QB 50. Pegasus ist das österreichische Schwarm-Mitglied, das mit seinen 49 Kollegen die Thermosphäre erkunden und Messdaten an die Erde schicken soll. Die werden dann nicht nur in Labors von Wissenschaftlern ausgewertet, sie helfen im Idealfall auch den Wetterdiensten, durch neue atmosphärische Modelle verlässlichere Angaben zu liefern.
Zwei Jahre arbeitet das Space Team schon an Pegasus. Für ein Weltraumprojekt eine wahnwitzig kurze Zeit. Auch das Budget kann sich mit anderen Projekten nicht messen. Dafür ist die Arbeit daran intensiver – und die Verschränkung von Theorie an der Uni und Praxis ist für die Beteiligten einzigartig. „Das ganze Projekt mitzuerleben, von Null weg aufzubauen, das Team zu formen, das war für mich eine sehr große Herausforderung“, denkt Kohl über seine Erfahrungen nach. „Aber auch die technischen Finessen. Wir mussten viel lernen. Das ist nicht so einfach wie im Test auf der Erde.“
Fast 60 % der Hardware bei Pegasus kommen vom TU Space Team. „Wir müssen sicherstellen, dass die Informationen am CubeSat gesammelt werden, dass genügend Energie zur Verfügung steht und die Information zur Erde gesendet wird“, erklärt Kohl die Aufgaben seines Teams. Passieren kann aber immer etwas. „Sollte eine Komponente einen Fehler aufweisen, können wir sie deaktivieren, so dass der CubeSat immer noch funktioniert. Wie bei einer Sicherung daheim.“
Auch die Hardware für den Bordcomputer, das Gehirn des Pegasus, kommt von der TU. Die Intelligenz des Gehirns kommt von der Uni Wien, die sich auch um die Koordination der Systeme kümmert.
„Die Weltraumwissenschaften sind eine Einstiegsdroge in die Naturwissenschaften.“ – Franz Kerschbaum
Dass der Weltraum die Menschheit nach wie vor fasziniert ist keine Überraschung. Ein Blick ins Kino-Programm genügt, um die ungebrochene Anziehungskraft zu bestätigen. Der Faktor Abenteuer sei dabei nicht zu unterschätzen, meint Franz Kerschbaum.
„Die Leute kommen von der Science Fiction. Weltraumschlachten gibt es ja immer noch“, grinst Fanz Kerschbaum und macht sich keine Sorgen um den wissenschaftlichen Nachwuchs. Im Gegenteil. „Generell kann man sagen, dass die Weltraumwissenschaften eine Einstiegsdroge in die Naturwissenschaften sind. Da kommt auch die ästhetische Komponente dazu. Schöne Bilder. Abenteuer – hier findet man einen Zugang, den man sonst vielleicht nicht so leicht zu Technik und Naturwissenschaften findet.“ Und noch etwas. „Vor den Genen und Atomen hat man Angst. Vor den Sternen nicht.“
Die Lebensdauer von Pegasus ist begrenzt. „Mehrere Monate“ soll er seine Arbeit verrichten. Danach dezent beim Wiedereintritt verglühen und so keinen zusätzlichen Weltraumschrott produzieren. Dem Space Team der TU werden die Projekte auch nach Pegasus nicht ausgehen. „Ideen gibt es genug“, sagt Kohl. „Wir wollen jetzt bei dem Raketenprojekt den Europarekord brechen. Der steht bei 12,5 km Höhe für private Teams. Den wollen wir deutlich übertreffen.“
Zur Einstimmung auf Pegasus und künftige All-Abenteuer, hier eine persönliche Film-Empfehlungsliste von Franz Kerschbaum samt Kurz-Kritik.
Weltraum-Filmtipps von Franz Kerschbaum
Interstellar – „Für Unterhaltungsfernsehen ok.“
Contact – „Ein faszinierender Film, der den Arbeitsalltag der Astronomen sehr gut wiedergibt. Eine Art „Drittmittel-Thriller“, der den Kampf ums Geld zeigt, aber auch Kindheitsprägungen und Motivationen der Figuren schön herausarbeitet.“
Gravity – „Durchaus ok. Wissenschaftlich sind da viele Unschärfen drin, aber wenn er wissenschaftlich genau wäre, wäre er fad.“
Das Beitragsbild stammt vom Österreichischen Weltraum Forum, das ebenso wie die FH Wiener Neustadt an Pegasus beteiligt ist. Das Bild wurde in 31,4km Höhe vom ÖWF-Stratosphärenballon Passepartout IIc anlässlich einer wissenschaftlichen Mission im Jahre 2008 aufgenommen. © ÖWF