Licht aus dem Osten
„Das Wort Ostern selbst scheint mit dem Osten zusammenhängen.“ Ex oriente lux heißt übersetzt „aus dem Osten kommt das Licht“. Und das Grab des Erlösers befindet sich ebenfalls dort, untermauert der Wissenschafter die ethymologische Vermutung.
Für Christen – sowohl für Katholiken als für Orthodoxe und Protestanten – ist Ostern ein hohes Fest. Bei Protestanten gilt der Karfreitag als höchster Feiertag, an dem das Erlösungswerk beginnt. Orthodoxe Christen haben dagegen überhaupt einen anderen Ostertermin: „Das hat damit zu tun, dass sie heute immer noch nach altem julianischen Kalender rechnen – und nicht wie wir nach gregorianischem“, sagt Jontes.
Zur Beherrschung sinnlichen Begehrens
Die Fastenzeit ist – zumindest historisch betrachtet – biblisch begründet, denn in der Bibel heiße es, Christus sei 40 Tage in die Wüste gegangen, um sich auf seinen Erlöserweg vorzubereiten. Dort sei er vom Teufel (vergeblich) versucht worden, der ihm all die irdischen Begehrlichkeiten versprach, fasst Jontes zusammen.
Vom Aschermittwoch bis zum Gründonnerstag (Bußfasten) und dann noch am Karfreitag und Karsamstag (Trauerfasten) geht das mit dem religiös motivierten Fasten. Allerdings wird es immer wieder unterbrochen – an Sonntagen und Hochfesten (etwa am Josefstag oder an Mariä Verkündung). „Seine Sünden bereuen, Kirchgänge, die Erinnerung ans Leid Christi, Buße tun“, beschreibt der Volkskunde-Experte den christlichen Arbeitsauftrag. Jedenfalls die zwei wichtigsten Fasttage – Aschermittwoch und Karfreitag – müssten streng eingehalten werden: kein Fleisch, Reduzierung der restlichen Speisen, Verzicht auf Rauchen und Alkohol.
In der heutigen Zeit habe Fasten allerdings andere Implikationen erhalten: „Im Zeitalter des Übergewichts und der Völlerei gilt Fasten als gesund.“ Viele – Gläubige und Nichtgläubige – würden die Gelegenheit ergreifen, um ordentlich abzuspecken. Bis bei der berühmten Osterjause wieder gegengesteuert werde. „Diese geht übrigens von der Fleischweihe am Ostersamstag aus, wo Speisen gesegnet werden.“
Alle Sünden für ein Ei
„Das Ei ist ein uraltes Symbol von Fruchtbarkeit und Auferstehung“, sagt Jontes. Und es heiße, der Brauch stamme aus den Tumuli, alten Hügelgräbern des ersten vorchristlichen Jahrtausends , die ein Weltenei darstellen und in denen Tote begraben und später wiedergeboren werden sollen.
Eier, die von Hühnern am Gründonnerstag gelegt wurden, hießen Antlasseier (Antlass kommt von Ablass, dem kirchlichen Gnadenakt): „Im Mittelalter und der frühen Neuzeit durften Menschen, die gesündigt hatten, eine Zeit lang nicht direkt der Messe bewohnen, sie mussten im Vorraum warten.“ Das sei der Grund, warum es in romanischen und gotischen Kirchen oftmals übergroße Eingangsbereiche gebe. „Ab Gründonnerstag durften aber alle wieder teilnehmen“, so Jontes.
Die Ablasseier (oder auch Karfreitagseier) wurden als so zauberkräftig angesehen, dass sie früher beim Hausbau unter der Schwelle vergraben und im Dachstuhl angebracht wurden.
Dieser Brauch sei in jener Form längst verschwunden, zeige sich dafür vereinzelt in anderer Weise: „Manche Leute legen so ein Ei ins Handschuhfach des Autos, um vor Unfällen gefeit zu sein.“
Osterlamm und Osterschinken
Christus selbst habe sich als agnus dei (Lamm Gottes) bezeichnet, das – zur Schlachtbank geführt – durch seinen Tod die Erlösung bringt. „Das Lamm symbolisiert also den Tod Christi“, sagt Jontes. Deshalb wäre damals beim Bau gotischer Kirchen im Schlussstein des Chors oftmals ein Lamm mit der Fahne Christi dargestellt worden. Und die Innungen der Fleischhauer hatten auf ihren Fahnen ein Lamm als Symbol. Davon übrig geblieben ist bis heute mitunter die Sitte, dass Bäckereien ein Mürbteig-Lamm backen, das auf den Ostertisch kommt.
Während bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts Rind- und Kalbfleisch als besonders wertvoll galten, erlangte danach das Schweinefleisch größere Bedeutung. Das führte zum traditionellen Osterschinken: „Das wertvollste und stattlichste Fleisch, das man nicht einmal braten oder kochen muss.“ So erhalte man auch heute noch durch Räuchern oder Trocknen einen schmackhaften Osterschmaus.
Hase-Ei-Frage
Dagegen habe der Osterhase (Lepus paschalis) rein gar nichts mit dem christlichen Brauch zu tun. Im Frühling paaren sich Hasen, sie rammeln. „Man sagt, durch diese heftigen Bewegungen kommt es bei den Weibchen zum Eisprung“, erklärt der Kulturwissenschafter den (etwas seltsamen anmutenden) Zusammenhang von Hase und Ei.
Aber es sei eben ein lustiger, seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sehr präsenter Brauch, an den Kinder gerne glauben: „Im Jahre 1945 war ich sechs Jahre alt und entkam mit Müh und Not damaligen Bombenangriffen.“ Auf den Weg zum Bunker mit Mutter und Bruder fragte den Sechsjährigen Jontes eine Frau, was der Osterhase denn gebracht habe. Der sei heuer nicht gekommen, erwiderte er damals traurig. „Im Jahr darauf konnte ich dafür wieder Ostereier suchen“, erzählt Günther Jontes.
Autor: Stefan Kluger