Er hat etwa 18 oder 19 Punkte und seine Farben variieren, meist ist er deutlich heller und größer als der bei uns ursprünglich heimische Marienkäfer. Die Rede ist vom asiatischen Marienkäfer, der Ende des 20. Jahrhunderts zuerst in den USA und danach in Europa zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingeführt wurde. Mittlerweile ist er in Europa häufig zu finden und er ist nur eines von vielen Beispielen für Tierarten, die ursprünglich anderswo heimisch waren. Diese werden auch Neobiota genannt: Das sind Tier- oder auch Pflanzenarten, die vom Menschen in andere Länder eingeschleppt wurden und sich in den neuen Gebieten ausbreiten. Wie sich der Bestand der Neobiota entwickeln wird und welche Auswirkungen diese Tierarten auf unser Ökosystem haben, damit beschäftigen sich Franz Essl und Bernd Lenzner von der Universität Wien.
Europa als Hotspot
Besonders in Europa sind viele eingeschleppte Tierarten zu finden. Die beiden Biologen erklären dies mit der wirtschaftlichen Kraft des Kontinents: „Neobiota werden nämlich vorrangig durch den globalen Warenverkehr über die Welt verteilt. Während einige Arten direkt gehandelt werden (z. B. im Zierpflanzenhandel oder als Haustiere) und somit absichtlich verbracht werden, gibt es eine ganze Reihe an Arten, die unabsichtlich (z. B. als blinde Passagiere im Ballastwasser von Containerschiffen oder als Saatgutverunreinigungen in der Landwirtschaft) verbracht werden.“ Ein weiterer Grund für das vermehrte Aufkommen von Neobiota in Europa ist das Klima und die Klimakrise: „Viele der großen Ökonomien welche besonders gut weltweit vernetzt sind, liegen in temperaten Klimazonen. Werden Arten nun zwischen diesen Regionen ausgetauscht, also als Neobiota in neue Regionen eingebracht, können sie sich leichter in den neuen Regionen etablieren, da die klimatischen Bedingungen ähnlich zu denen in ihrer Heimatregion sind.“
Ökologische Auswirkungen
Die Modellrechnungen der beiden haben gezeigt, dass die Anzahl der eingeschleppten Tierarten in den nächsten viereinhalb Jahrzehnten um 36 Prozent weltweit zunehmen wird. Nur ein kleiner Teil der Neobiota hat negative Auswirkungen auf das Ökosystem. Diese Arten werden auch invasive Arten genannt. Steigt die Anzahl der Neobiota jedoch, werden auch die invasiven Arten zunehmen. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen: „Von ökologischer Seite können invasive Arten mit heimischen in Konkurrenz treten und diese über kurz oder lang verdrängen und somit lokal aussterben lassen. Charakteristische Beispiele hier sind der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis), welcher als Konkurrent zu den heimischen Marienkäfer-Arten auftritt oder das nordamerikanische Grauhörnchen (Sciurus carolinensis), welches als Konkurrent zu Eichhörnchen-Arten auftritt. Neben direkter Konkurrenz können invasive Arten auch ganze Ökosysteme bedrohen. Diese Arten werden oft als Ökosystemingenieure bezeichnet. Ein Beispiel ist hier die Robinie (Robinia pseudoacacia).“
Wirtschaftlicher Schaden durch Neobiota
Invasive Tier- bzw. Pflanzenarten haben für die Wirtschaft ebenso dramatische Auswirkungen, wie Essl und Lenzner weiters ausführen. Eine erst kürzlich erschiene Studie bezifferte deren wirtschaftlichen Schaden auf mind. 1,288 Billionen US-Dollar im Zeitraum von 1970 bis 2017. Europa hat laut Erhebungen jährliche Kosten von 3,8 Milliarden Euro durch Neobiota. Die wirtschaftlichen Folgen sind unterschiedlich: Von Ernteverlusten, Schaden an der Infrastruktur oder Kosten für gesundheitliche Probleme. Als Beispiel ist das allergische Reaktionen auslösende Traubenkraut – besser bekannt unter dem Namen Ragweed – zu nennen. Zudem führt die Einschleppung von Arten zu einer Homogenisierung von Artengesellschaften.
Globale Datensätze
Wie kann man die Ausbreitung von Neobiota vorhersagbar machen? Die Forschung dazu stecke momentan noch in den Kinderschuhen, wie Lenzner und Essl betonen. Jedoch gibt es seit einigen Jahren dank internationaler Forscher*innen große Datensätze. Auch Forscher*innen der Universität Wien haben geholfen, eine globale Datenbank zu Neobiota aufzubauen und zudem wurde – ebenso unter Beteiligung der Uni Wien – ein Datensatz zur historischen Verbringung von Neobiota weltweit zusammengetragen, der zeigt, wie viele Arten sich seit 1500 etabliert haben. Franz Essl und Bernd Lenzner arbeiten aktuell am internationalen Projekt AlienScenarios.
„Dazu werden Experten-basierte, qualitative Szenarien entwickelt, wie sich die Welt in der Zukunft unter verschiedenen Annahmen zu sozioökonomischen, politischen und klimatischen Veränderungen entwickeln wird und was das für die Verbringung von Neobiota weltweit bedeuten wird. Diese Annahmen werden dann in quantitativen Modellrechnungen verwendet um Zukunftstrends für Neobiota zu berechnen.“