Regelmäßig hört man von Antibiotika, die bei manchen PatientInnen nicht mehr wirken. Was steckt hinter der Resistenz der Keime?
Was heißt Resistenz?
Wenn Antibiotika bei einer Erkrankung nicht helfen, kann es sein, dass die Erreger eine Resistenz gegen einen bestimmten Wirkstoff im Medikament aufgebaut haben. Diese Resistenzen werden immer mal wieder bei PatientInnen festgestellt. Verstärkt sich dieser Trend, könnten Mediziner*innen irgendwann mit ihrem Latein – und wirksamen Antibiotika – am Ende sein.
Dazu kommt, dass ForscherInnen der Vetmeduni Wien bei sechzig Prozent der Ratten in Wien multiresistente Keime gefunden haben. Doch kommen Menschen überhaupt mit Ratten in Berührung? Die Gefahr ist größer, als man vielleicht denkt, meint die Forscherin Amélie Desvars-Larrive vom Institut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.
Ratten sind ein Tabu
Die typische Stadtratte ist Rattus norvegicus, die Wanderratte. Weil sie nachtaktiv und sehr klein sind, sind sie für ForscherInnen schwer zu untersuchen. „Das ist ein Problem, denn Ratten gelangen in Nahrungsvorräte und ruinieren diese, beschädigen die Infrastruktur indem sie durch Holz und Isolierungen kauen und an Kabeln nagen und so Brände auslösen. Zudem übertragen sie Krankheiten auf Menschen, Haus- und Wildtiere“, erzählt Desvars-Larrive.
Ein weiterer Umstand macht RattenforscherInnen das Arbeiten schwer: Menschen geben nicht gern zu, dass es Ratten in ihrer Nähe gibt, da sie mit Schmutz und Krankheiten assoziiert werden. Deshalb werden Rattensichtungen selten gemeldet, selbst, wenn es um Schädlingsbekämpfung geht. „Ratten sind Tabus“, sagt die Forscherin. „Ratten werden manchmal mit Armut assoziiert, deshalb haben sie auch einen großen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Betroffenen.“
Desvars-Larrive ist Teil eines Forschungsteams, das bei sechzig Prozent der Ratten in Wien multiresistente Keime gefunden hat, darunter auch solche, bei denen nur mehr wenige Medikamente helfen. Projekte wie das des Vetmed-Teams werden immer wichtiger, denn mehr Menschen als je zuvor wohnen heute in Städten, wo sie Ratten und ihren Ausscheidungen potenziell stärker ausgesetzt sind. „Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, mehr über Ratten, ihre Ökologie und die von ihnen übertragenen Krankheitserreger zu erfahren“, urgiert die Forscherin.
Wo kommen wir mit Ratten in Berührung?
StadtbewohnerInnen können Ratten zwar oft sehen, kommen allerdings selten in direkten Kontakt mit ihnen. Mit zwei Ausnahmen: Menschen, die für die Erhaltung der Stadt arbeiten (KanalarbeiterInnen, GärtnerInnen, etc.) und obdach- und wohnungslose Menschen. Diese Personengruppen sind demnach einem erhöhten Risiko ausgesetzt, mit von Ratten übertragenen Keimen in Berührung zu kommen.
Dass multiresistente Keime bei Ratten in Wien gefunden wurden, sei allerdings nicht das interessanteste Ergebnis der Untersuchung, sagt Desvars-Larrive. Zwar haben die ForscherInnen eine noch nie zuvor bei wilden Ratten beschriebene Vielfalt an multiresistenten Bakterien gefunden. Wichtiger ist allerdings, dass Ratten Indikatoren für den Zustand der Umwelt (inklusive der Wasserqualität) in Städten sind. Keime, die man auf ihnen findet, stammen von Menschen.
Superresistente Bakterien
„Da Ratten Trägerinnen von Bakterien, die verschiedene Resistenzgene enthalten, sein können, können sie auch als Schmelztiegel für den Gen-Austausch zwischen diesen Bakterien dienen. Das ermöglicht, dass diese dann zu so etwas wie ’superresistenten‘ Bakterien werden können“, erklärt die Forscherin die möglichen Folgen.
Die Gefahr wird dadurch erhöht, dass Bakterien sehr schnell Resistenzen aufbauen können. Manche Keimarten vermehren sich so schnell, dass bereits innerhalb einer halben Stunde eine neue Generation entstehen kann, die das Resistenz-Gen hat.