Bis zum Jahr 2050 wird mehr als jede zehnte Person in Österreich 80 Jahre oder älter sein, die Gruppe der Menschen über 65 wird dann ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Die alternde Gesellschaft stellt uns vor Herausforderungen und Fragen, zum Beispiel wie Menschen möglichst lange gesund und mobil bleiben.
Wichtig ist dabei unser Bewegungsapparat. Wir verlieren im Laufe unseres Lebens an Mobilität, Muskeln haben weniger Kraft und Masse, Knochen werden anfälliger für Brüche und Gelenke entzünden sich. Unfälle, Krankheiten, Übergewicht bzw. Adipositas, aber auch degenerative Veränderungen an Gelenken, Muskeln und Sehnen oder brüchige (poröse) Knochen wirken sich hier negativ aus. Barbara Obermayer-Pietsch leitet eine Forschungsgruppe im Projekt „GEMSTONE“ („Genomics of MusculoSkeletal traits Tranlational Network“) und weiß: „Mobilität ist ein Schlüsselelement für gesundes Altern.“
Neues Wissen und Behandlungsmethoden
Die Forschung ermöglicht ein verbessertes Verständnis für spezifische Laboranalysen sowie neue Behandlungsmöglichkeiten. „Dank neuem Wissen zu Stoffwechselwegen verfügen wir nun über neue Einsichten zu Ernährungs- und Hormonwirkung, zu Vitaminen und Mineralstoffen, wissen aber auch mehr über Entzündungen, Degeneration und Schadstoffe im muskuloskelettalen System.“ Interdisziplinarität ist bei „GEMSTONES“ wichtig. Forschende verschiedener Gebiete – wie klinisch tätige Mediziner*innen, Grundlagenforschenden, Veterinärmediziner*innen oder auch Physiker*innen und Computerwissenschaftler*innen – arbeiten daran, gesichertes Wissen und eine niederschwellig erreichbare Mobilität bis ins hohe Alter zu fördern. „Die nun laufenden Forschungen sollen gerade deshalb die Verbindungen zwischen Knochen- und Muskelwissenschaftler*innen intensivieren. Wir arbeiten ausgehend von neuen Erkenntnissen aus den Grundlagenwissenschaften an späteren Anwendungen“, so Barbara Obermayer-Pietsch.
Probleme des Bewegungsapparats
Veränderungen des Bewegungsapparats treten meist ab der Lebensmitte eines Menschen auf. Wie schwer jemand davon betroffen ist, hängt mitunter davon ab, wie sehr die Muskeln und Gelenke bisher beansprucht wurden: „Schwere körperliche Arbeit, aber auch langdauernde Arbeitsbelastung oder Fehlhaltung können diese degenerativen Erscheinungen verstärken.“ Ein Teil der Bevölkerung hat auch – familiär bedingt – eine erhöhte Gelenksbeweglichkeit, bei ihnen treten also Überdehnungen oder Abnützungserscheinungen relativ früh auf. Probleme wie Hüftgelenksveränderungen, Bandscheibenvorfälle oder Arthrosen (Gelenkverschleiß) zeigen sich. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle: Bekannt ist ein Risiko für Osteoporose (Knochenschwund) bedingte Knochenbrüche bei 50 % aller Frauen, bei Männern besteht ein Risiko von 30 %. Zudem unterscheiden sich Frauen und Männer hinsichtlich ihres Hormonhaushaltes und Muskelsystems. „Ein häufig zu beobachtender Vitamin D-Mangel kann Probleme des Bewegungsapparates ebenso verschärfen wie Erkrankungen oder Medikamente, die das Skelettsystem zusätzlich destabilisieren, z. B. eine langdauernde Kortison-Medikation“, so die Expertin.
Fokus auf Bewegung
Ein gesunder Lebensstil kann helfen, um den Bewegungsapparat des Körpers zu stabilisieren und die eigene Mobilität zu erhalten. Mit Sport anzufangen, zahlt sich tatsächlich aus und eine gesunde Ernährung hilft ebenso. Barbara Obermayer-Pietsch rät dazu, sich medizinisch beraten zu lassen, vor allem, wenn bereits körperliche Einschränkungen vorhanden sind: „So können bei stark eingeschränkter Funktionsfähigkeit des muskuloskelettalen Systems immer noch adäquate Übungen aktiv und/oder passiv durchgeführt werden, um die Muskeln (und damit die Knochen) zu stärken.“
Sorgen ob der „falschen“ Art der Bewegung braucht man sich als Hobby-Sportler*in eher keine zu machen, so die Expertin. Ausgeprägter Sport kann zwar den Bewegungsapparat abnützen, das betrifft jedoch meist Profi-Sportler*innen. „Für die meisten Menschen ist die Aufnahme von irgendeiner Bewegung für Herz, Gefäße und den Stoffwechsel, aber auch für das Muskuloskelettale System und eine bessere Mobilität im Alter positiv.“
Über die Studie
Gemeinsam mit ihrem Team untersucht sie die klinischen und molekularbiologischen Aspekte von Krankheiten des Bewegungsapparates. Die Forschungsergebnisse des Projekts „GEMSTONE“ basieren u.a. auf sogenannten GWAS (genome-wide association studies). „Dabei handelt es sich um genomweite Assoziationsstudien, die zum Ziel haben, Symptome und Messwerte bestimmter Erkrankungen mit genetischen Varianten in großen Kohortenstudien zu definieren und damit Ursachen und Stoffwechselpfade besser zu verstehen.“