„Darmbiofilme sind spezielle mikrobielle Gemeinschaften, die sich an den Oberflächen im Darmtrakt ansiedeln und eine schleimige Matrix aus Wasser, Polysacchariden (das sind Kohlenhydrate, die aus einer großen Anzahl von Einfachzuckern bestehen, Anm.) Proteinen und DNA bilden. Diese Matrix schützt die darin lebenden Bakterien vor äußeren Einflüssen und hilft ihnen, sich an die Lebensbedingungen im Darm anzupassen“, erklärt Markus Muttenthaler. Der an der Universität Wien und The University of Queensland tätige Medizinchemiker befasst sich damit, welche Rolle Darmbiofilme für unsere Gesundheit haben. 10 bis 15 Prozent der westlichen Bevölkerung leiden an chronischen Magen-Darm-Erkrankungen. Darmbiofilme sind somit ein wichtiges Thema für die Forschung, da deren Rolle bei der Entstehung solcher Krankheiten noch nicht vollständig geklärt ist.
Prägnante Symptome
Aktuell arbeiten Forscher*innen daran, verschiedene therapeutische Strategien zu finden, die auf kritische Phasen im Lebenszyklus des Darmbiofilm oder auf bestimmte molekulare Ziele ausgerichtet sind. Zwei vielversprechende Ansätze konzentrieren sich dabei auf die Biofilm-Matrix oder auf regulatorische Netzwerke innerhalb des Biofilms. Dennoch bestehen weiterhin Wissenslücken hinsichtlich der Charakterisierung von Biofilmen, ihre Wechselwirkungen mit dem Wirt oder eben ihre Bedeutung für die Entstehung von Krankheiten. Die Wissenschaft ist noch dabei, Grenzwerte für die Unterscheidung zwischen gesundem und krankem Darmmikrobiom zu finden sowie Biomarker zu identifizieren, die dafür herangezogen werden können. Wissenschafter*innen wie Markus Muttenthaler tragen mit ihrer Forschung dazu bei, hier Fortschritte zu erlangen. Bereits jetzt weiß der Experte jedoch, worauf man hinsichtlich seiner Darmgesundheit achten sollte: „Man sollte insbesondere bei anhaltenden Verdauungsproblemen wie Blähungen, Durchfall, Verstopfung und Bauchschmerzen aufmerksam sein. Auch unspezifische Symptome wie chronische Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder Hautprobleme können auf ein Ungleichgewicht im Darm hindeuten. Ist dies der Fall, dann ist ein ärztlicher Rat sinnvoll, um abzuklären, ob eine Behandlung des Darmsystems nötig ist.“
Darmbiofilme
Interessant ist auch, dass Darmbiofilme vor Abwehrstrategien des Wirts und vor Medikamenten geschützt sind und eine hohe Resistenz gegen Arzneistoffe aufweisen – genau das macht sie schwer behandelbar. Markus Muttenthaler erklärt, inwiefern Darmbiofilme im Zusammenhang mit Krankheiten stehen: „Darmbiofilme können eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen, wenn krankheitverursachende Keime dominieren oder wenn das Gleichgewicht der Biofilm-Mikroben gestört wird. In diesen Fällen kann es zum Abbau der Darmschleimhaut, Entzündungen und chronischen Erkrankungen kommen.“ Bis jetzt gibt es keine biofilmspezifischen Therapeutika auf dem Markt, wobei Ärzt*innen im Rahmen der Endoskopie des Gastrointestinaltrakts immer wieder auf Darmbiofilme stoßen.
Darm und Gehirn
Es gibt eine Verbindung zwischen Darm und Gehirn und einige Gesundheitsphänomene, die damit im Zusammenhang stehen. Markus Muttenthaler erklärt: „Die sogenannte Darm-Hirn-Achse beschreibt die Verbindung zwischen Darm und Gehirn. Viele Mikroben im Darm können über das Nervensystem, hormonelle und immunologische Signale mit dem Gehirn kommunizieren. Diese Verbindung beeinflusst Stimmungen, Appetit, kognitive Funktionen und spielt auch bei der Entwicklung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen eine Rolle.“ Die Forschung zu Darmbiofilmen hilft dabei, bestimmte Signaturen und Muster zu identifizieren, die mit Krankheiten wie Reizdarmsyndrom, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Darmkrebs in Verbindung stehen. „Durch ein besseres Verständnis dieser Zusammenhänge könnten in Zukunft gezielte Diagnosetests und Behandlungsmethoden entwickelt werden, die das Biofilm-Mikrobiom gezielt verändern“, ist sich Markus Muttenthaler sicher.