„Brauchn’s a Sackerl?“, diese Frage an der Supermarkt-Kassa werden wir in naher Zukunft wohl nicht mehr hören. Denn im Europaparlament wurde beschlossen, ab 2018 die gratis Plastiksackerl zu verbieten (dünne Obstsackerl sind davon aber ausgenommen). Das Problem laut NGOs wie Greenpeace oder Global 2000: Plastikmüll schadet der Umwelt enorm.
Es sind unvorstellbare Zahlen: Bis zu einer Billiarde Plastiksackerl werden jährlich weltweit hergestellt, 100 Milliarden davon werden laut EU-Komission europaweit verbraucht. Allein in Österreich sind es etwa 350 Millionen, dabei liegen wir aber noch im unteren Durchschnitt. Die meisten Säcke werden nicht einmal eine halbe Stunde lang benutzt, dann landen sie im Müll oder aber im Meer. 10 Millionen Tonnen Müll gelangen jährlich in die Ozeane, der Großteil besteht aus Plastik. Reste davon wurden in Mägen von gestrandeten Walen, Seevögeln und Schildkröten gefunden. Aber fangen wir von vorne an.
Woraus bestehen Plastiksackerl und was davon ist schädlich?
Plastiksackerl bestehen meist aus Polypropylen oder Polyethylen. „Diese Stoffe sind sehr langkettige Kohlenwasserstoffe und sind für sich gesundheitlich völlig unbedenklich, da sie chemisch sehr stabil sind. Sie gehen mit den damit verpackten Gütern praktisch keine chemische Reaktion ein“, erklärt Professor Gerhard Eder vom Institut für Polymerwissenschaft der Johannes Kepler Universität Linz. Viele Kunststoffe werden aber nicht in reiner Form verarbeitet, sondern mit Weichmachern versetzt. Sie sollen für die Flexibilität, zum Beispiel einer Plastikfolie, sorgen. Die Frage der Gesundheitsgefährdung betrifft also nicht den Kunststoff an sich, sondern die dabei verwendeten Zusatzstoffe.
„Die Frage der Gesundheitsgefährdung betrifft also nicht den Kunststoff an sich, sondern die dabei verwendeten Zusatzstoffe.“
Können Plastiksackerl verrotten und werden dabei tatsächlich giftige Stoffe freigesetzt?
Plastik verrottet aufgrund seiner chemischen Stabilität kaum oder nur langsam. Je dicker das Material, wie beispielsweise bei Flaschen, desto länger dauert der Abbau. Stoffe werden zwar freigesetzt, erklärt uns Professor Alexander Bismarck vom Institut für Materialchemie an der Universität Wien: „Wenn Polymer lange benutzt wird, bewegen sich die Weichmacher zur Oberfläche und werden an ihre Umgebung abgegeben.“ Das eigentlich Problem für die Umwelt seien seiner Meinung nach aber nicht die Giftstoffe, sondern: „Die Plastikbeutel gelangen durch den Wasserkreislauf ins Meer und durch den Sonneneinfluss zersetzen sie sich in kleine Partikel und die nehmen Tiere in sich auf“, bedauert Bismarck.
Welche Alternativen gibt es? Kann Plastik auch Bio sein…
…wobei „Bio“ hier nicht „aus kontrolliert biologischem Anbau“ meint, sondern, dass nachwachsende Rohstoffe als Basis für Kunststoff verwendet werden. „Bio-Kunstoff gewinnt man durch chemische Modifikation aus natürlichen Polymeren, wie Zellulose oder Stärke, durch Fermentation mit bestimmten Bakterien oder aus Milchsäure. Die letzteren Produkte sind sehr gut abbaubar“, erklärt Professor Paul Kosma von der Boku Wien. Sein Institut ist auch Mitglied des Polysaccharide-Network of Excellence, das Biomaterialien auf Basis nachwachsender Rohstoffe entwickelt. Der Vergleich im Energieverbrauch zur Gewinnung von Bioplastik und Plastik aus Erdöl sei aber nahezu ausgeglichen, da man ja auch die Ressourcen zur Anpflanzung, Ernte, Transport und Weiterverarbeitung bei Bioplastik einrechnen muss. Kosma selbst versucht zumindest auf Plastikflaschen zu verzichten und verwendet Glasgebinde, auch im Labor.
Professor Bismarck verwendet weiterhin normale Plastikbeutel, „aber halt so lange wie möglich und dann entsorge ich sie richtig“. Er ist der Meinung, wenn man Stärke oder Mais fermentieren muss, um Polymere daraus herzustellen, nimmt man Material aus dem Lebensmittelkreislauf und das sei nicht unbedingt umweltfreundlicher.
„Das Biolabel soll nicht dazu verführen, bei zunehmendem Einsatz von Bioplastik das Recycling zu vernachlässigen“ – Paul Kosma
Fazit
Einig sind sich hierbei alle: Ressourcenschonende Produktion wird in der Zukunft wichtiger werden. Biokunststoffe können eine gute Alternative zu konventionellem Plastik sein. Momentan steht dem allerdings der niedrige Preis von Erdöl noch etwas im Weg. Und nachwachsende Rohstoffe stehen nicht unendlich zur Verfügung und konkurrieren mit der Nahrungsmittelproduktion. In beiden Fällen bleibt es dabei, dass Plastikabfall richtig entsorgt werden muss. „ Das Biolabel soll nicht dazu verführen, dass bei zunehmendem Einsatz von Bioplastik das Recycling vernachlässigt wird“, warnt Kosma.
Ausflug in die Kunst
Jemand, der eine Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft gefunden hat, ist der Künstler Tomás Saraceno. Seine Ausstellung „Becoming Aerosolar“ ist zurzeit im 21er Haus in Wien zu sehen. Vorab wurde schon dazu eingeladen bei der Sammlung von gebrauchten Plastiksäcken mitzumachen. Daraus baute Saraceno eine Skulptur, die durch Luft und Sonne angetrieben wird – ein fliegendes Museum also, das man sogar betreten kann. Der Künstler möchte dazu anregen, über nachhaltige Lebensmodelle nachzudenken.
Die Ausstellung Tomás Saraceno: Visionen mit Luft und Licht – Becoming Aerosolar im 21er Haus läuft noch bis 30. August 2015. Wer einen Einblick in das Thema Plastik gewinnen möchte, dem ist der Film „Plastic Planet“ zu empfehlen.
Text: Magdalena Meegraf