Bei dem Begriff „Klimawandel“ stellt man sich auf Anhieb als zugehöriges Forschungsfeld die Klimaforschung, Meteorologie oder Geowissenschaften vor. 16 junge ForscherInnen aus aller Welt arbeiten im Rahmen eines Doktoratskollegs mit dem Forschungsschwerpunkt “Umwelt und Globaler Wandel” an der Universität Graz an ihrer Dissertation. Unter ihnen sind auch zwei Philosophiestudenten.
Doch was hat Klimawandel mit Philosophie zu tun?
Ohne Zweifel gibt es einen von Menschen verursachten Klimawandel, der in Zukunft enorme Auswirkungen auf unsere Zivilisation haben wird. Trotz der langfristigen Schäden für die gesamte Welt halten sich manche Staaten mit ihrer Klimapolitik immer noch zurück. Doch werden nicht die Chancen zukünftiger Generationen verspielt, indem zum Beispiel die Atmosphäre weiter massiv verschmutzt wird? Inwiefern tragen wir Verantwortung für zukünftige Generationen? Dieses langfristige Denken nimmt die Philosophie in ihre Forschung mit auf.
Daniel Petz ist einer der angesprochenen Doktoratsstudenten und beschäftigt sich mit intergenerationeller Gerechtigkeit. Was das genau bedeutet hat er uns im Interview erklärt.
Wie hat es Sie nach Graz zum Dissertationskolleg Klimawandel verschlagen?
Ich habe im letzten Jahrzehnt in Indonesien und in den USA über Menschenrechtsfragen im Bereich von Naturkatastrophen und Klimawandel gearbeitet und wollte meine beruflichen Erfahrungen mit intensiver theoretischer Arbeit verknüpfen. Da war das interdisziplinäre Programm eine super Möglichkeit dies zu tun und dass es so etwas in Österreich gibt, hat gut gepasst, da ich mit meiner Familie zu diesem Zeitpunkt sowieso Richtung Heimat ziehen wollte.
„Wenn wir nun zum Beispiel feststellen, dass die Emissionen, die unsere Generation ausstoßt, dazu führt, dass es zu einer massiven Nahrungsmittelknappheit in 50 Jahren kommt und Millionen Menschen verhungern, werden viele zustimmen, dass dies eine nicht sonderlich gerechte Handlungsweise gegenüber zukünftigen Generationen ist.“ – Daniel Petz
Woran forschen Sie im Konkreten?
Ich forsche zu Fragestellungen der intergenerationellen Gerechtigkeit. Hierbei geht es um Fragen, wie viel Verantwortung unsere Generation für zukünftige Generationen hat und was diese Verantwortung konkret im Rahmen der Vermeidung von Klimawandel oder der Bekämpfung negativer Folgen des Klimawandels bedeutet.
Könnten Sie ein Beispiel für diese intergenerationelle Gerechtigkeit geben?
Wenn wir nun zum Beispiel feststellen, dass die Emissionen, die unsere Generation ausstoßt, dazu führt, dass es zu einer massiven Nahrungsmittelknappheit in 50 Jahren kommt und Millionen Menschen verhungern, werden viele zustimmen, dass dies eine nicht sonderlich gerechte Handlungsweise gegenüber zukünftigen Generationen ist. Wenn wir nun intergenerationelle Gerechtigkeit diskutieren, können wir von diesem Punkt ausgehend, verschiedene Fragen stellen. Da können wir jetzt diskutieren, welche Rechte die Menschen, die in 50 Jahren leben, haben werden und basierend auf diesen Rechten, welche Pflichten zum Beispiel wir Österreicher haben, um dieses Ereignis zu verhindern. Da ist man dann sehr schnell bei Fragen, wie der gerechten Verteilung von Emissionen zwischen Ländern und innerhalb von Ländern, um den Klimawandel zu begrenzen, die den Kern der jetzigen Klimaverhandlungen der UNFCCC ausmachen.
Inwiefern kann gerade die Philosophie dazu Antworten bieten?
Die Philosophie hat in den letzten Jahrzehnten eine führende Rolle in der Diskussion von Fragen der Verteilungsgerechtigkeit übernommen, und da intergenerationelle Fragen auch Verteilungsgerechtigkeitsfragen sind, hat sie in dem Bereich einiges anzubieten. Ein Vorteil der Philosophie ist, dass sie das Problem vordringlich in ethischen Kategorien analysiert.
„Ein Grundproblem jeder Forschung, die sich mit Zukünftigem beschäftigt, ist natürlich die Ungewissheit darüber, wie die Zukunft beschaffen sein wird.“ – Daniel Petz
Welche Methode wenden Sie an?
Ich arbeite mit einer Schwellenwerttheorie. Die postuliert verkürzt gesagt, dass wir gerecht gegenüber zukünftigen Generationen handeln, wenn deren Wohlbefinden über einem gewissen Schwellenwert liegt. Ich arbeite gerade daran, die normativen Parameter dieses Schwellenwertes zu bestimmen. In einem weiteren Schritt analysiere ich dann, inwiefern die Unsicherheiten, die Voraussagen über die Zukunft mit sich bringen, sich moralisch auf die Bewertung von möglicher Schädigung zukünftiger Generationen auswirken. Dies sollte dann erlauben Mitigations- und Adaptationsszenarien (Vorgehen in Bezug auf Klimawandel) zu bewerten.
Welche Probleme ergeben sich bei einer Forschung auf philosophischer Ebene?
Ein Grundproblem jeder Forschung, die sich mit Zukünftigem beschäftigt, ist natürlich die Ungewissheit darüber, wie die Zukunft beschaffen sein wird. Wenn es zum Beispiel um Schädigung geht, wissen wir nur bedingt, wie schlimm eine Zukunft unter Klimawandel aussehen wird. Man muss sich also sehr klar mit den Limitationen der Vorhersehbarkeit auseinandersetzen.
Inwiefern betrifft Sie Ihr Forschungsthema auch persönlich?
Ich bin überzeugt davon, dass der Klimawandel gekoppelt mit anderen ökologischen Problemen, die wir geschaffen haben, die größte Herausforderung für die Menschheit in den nächsten fünfzig bis hundert Jahren darstellen wird. Daher bin ich als Mensch selbstverständlich betroffen. Seitdem ich Vater bin (mein Sohn Emil ist 3 Jahre alt), mache ich mir natürlich zusätzliche Gedanken über die Welt, die ich der Generation meines Sohnes und weiteren Generationen hinterlassen werde.
Text: Magdaelna Meergraf