Der technische Fortschritt in der künstlichen Intelligenz wirft immer wieder neue Fragen auf. Roboter und Computer können Bilder und andere Werke sehr schnell erschaffen, sie brauchen keine Pausen und verlangen kein Gehalt. Was bedeutet das für die Kunstwelt, wenn der Künstler das Werk nicht mehr selbst erschafft?
Ein Computer, der von selbst zeichnet
Anders als ein menschlicher Künstler braucht ein Roboter nicht lang, um ein Kunstwerk zu erschaffen. Ähnlich wie bei einer Suchanfrage bei Google sucht sich ein Algorithmus die nötigen Daten heraus, um ein neues Bild oder einen Text zu kreien. Aber kann man das Ergebnis dieses Prozesses überhaupt Kunst nennen? Denn der Schaffensprozess eines Künstlers ist doch ein langwieriger Akt, der nur durch den Kuss einer Muse entstehen kann, oder? Und wie kann eine künstliche Intelligenz, KI abgekürzt, überhaupt so etwas wie Kunst erschaffen?
Die Idee der von einer künstlichen Intelligenz geschaffenen Kunst gibt es schon seit den siebziger Jahren. Dennoch ist KI-Kunst für die meisten ein neuer Begriff. Harold Cohen war einer der Pioniere der computergenerierten Kunst. Er entwickelte 1973 Aaron, ein Programm, das jeden Tag von selbst ein neues, einzigartiges Bild zeichnet. Aber was macht Kunst, die so einfach produziert werden kann, zu Kunst?
Das Konzept ist die Kunst
„Kunst muss heutzutage nicht mehr das sein, was wir über Jahrhunderte als Kunst abgesegnet haben”, erklärt Christa Sommerer von der Kunstuni Linz. „Kunst muss nicht nur vom Künstler oder der Künstlerin allein geschaffen sein, Kunst kann auch konzeptuell und partizipativ sein.” Bei KI-Kunst geht es oft nur darum, das Konzept, wie ein Kunstwerk entsteht, neu zu erschaffen. Den Algorithmus zu programmieren, und ihn anhand von einer Datenbank selbst neue Kunst erschaffen zu lassen, ist die Kunst daran.
Sommerer selbst hat schon mit dieser Methode gearbeitet. Zusammen mit Laurent Mignonneau hat sie die interaktive Installation „Neuro Mirror” geschaffen. Die Installation besteht aus drei Bildschirmen, von denen der mittlere die Person davor so zeigt, wie sie gerade ist. Der linke Bildschirm zeigt die Gesten und Bewegungen der Person zeitverzögert an, er spiegelt also die Vergangenheit wieder.
Auf dem rechten Bildschirm wird die „Zukunft“ abgebildet, also die Gestern der Person, die sie vermutlich ausführen wird. Der Algorithmus berechnet aus den Gesten der Person, welche Bewegungen sie als nächstes ausführen wird, indem er auf eine Datenbank an bereits aufgezeichneten Gesten zurückgreift. Auf dem rechten Bildschirm ist ein Avatar zu sehen, der diese berechneten Gesten ausführt.
Liebesgedichte von Google
Ein anderes Beispiel für Kunst, die von einer KI generiert wurde, ist das Werk von Mike Tyka. Er hat mithilfe eines Algorithmus und der Datenbank der Fotowebsite Flickr Bilder von Menschen generiert, die es gar nicht gibt. Der Algorithmus sucht sich aus vielen Fotos von Gesichtern einzelne Details heraus und setzt sie zu neuen Bildern zusammen. Das Resultat ist gleichzeitig schön und ein bisschen verstörend, denn die „Imaginary People” sehen zwar aus wie Gemälde, wirken aber trotzdem unheimlich menschlich.
Auch Schreiben können KIs. Mitarbeiter von Google haben einem künstlichen neuronalen Netz ein paar Sätze und eine Datenbank aus hunderttausenden Romanen eingeflößt, und ihm befohlen, daraus Gedichte zu formen. Und tatsächlich: Googles Gedichte wirken so, als hätte ein Mensch sie geschrieben. Doch anders als zum Beispiel bei „Neuro Mirror” von Christa Sommerer und Laurent Mignonneau haben Googles Mitarbeiter damit nicht direkt versucht, Kunst zu erschaffen. Dennoch kann auf diese Art und Weise neue Kunst entstehen, auch, wenn der Prozess an sich eher einem wissenschaftlichen Experiment gleicht.
Eine Kunstsammlung für lau?
Kunstwerke können von KIs teilweise sehr schnell und ohne großen Aufwand hergestellt werden. Da stellt sich die Frage, für wie viel so ein Werk, das ein Algorithmus geschaffen hat, verkauft werden kann. „Momentan kann man noch nicht sagen, wie viel so etwas wert ist”, so Sommerer.
Medienkunst, wie die Kunst von KIs auch heißt, ist ideell zwar schon viel wert, monetär allerdings noch nicht. „Aber gerade für die Medienkunst entsteht gerade ein Bewusstsein auf dem Markt”, erklärt Sommerer. „Im Prinzip kann man sagen, es ist so viel Wert, wie jemand bereit ist, dafür zu zahlen.” Doch künstliche Intelligenzen werden von der Gesellschaft immer mehr akzeptiert, das wird sich vermutlich bei der Kunst nicht anders verhalten.