Wenn nach dem Finale am 11. Juli der neue Fußball-Europameister gefeiert wird, hat der Erfolg des Siegerteams nicht nur mit Technik und Fitness der Spieler zu tun. Auch ein weiterer Faktor kann entscheidend sein: Kreativität.
Kreativität als Variable
„Spieler*innen, die originell, überraschend und zugleich effektiv sind, können ein Match entscheiden“, sagt der Psychologe Andreas Fink. Denn kreativen Spieler*innen reicht oft schon ein kurzer Blick auf die Situation – und der nächste Pass sitzt.
Körperliche Fitness und eine ausgefeilte Spieltechnik sind zwar Grundvoraussetzung für den Torerfolg, aber auch die Kreativität spielt eine wichtige Rolle im Fußball, wie Fink und sein Team vom Institut für Psychologie der Universität Graz in einer aktuellen Studie zeigen.
Bewegung im Kopf
Dass mentales Training große Bedeutung im Profisport hat, ist nicht neu. Meist sei damit aber gemeint, dass die Spieler*innen psychischen Belastungen standhalten können, so Fink. In Aussagen wie „ein*e Spieler*in habe Nerven wie Drahtseile“, komme das sehr schön zum Ausdruck.
Für Kreativität am Spielfeld sind laut der Studie aber jene Gehirnregionen wichtig, die beispielsweise mit Bewegungsvorstellung, also dem Durchführen bestimmter motorischer Übungen im Kopf, oder der Integration von Informationen aus unterschiedlichen Sinneswahrnehmungen zu tun haben.
Labor statt Spielfeld
Doch lässt sich Kreativität so einfach üben wie Torschüsse und Kopfbälle? Die Bedeutung der Kreativität im Fußball werde zwar zunehmend erkannt, sagt Fink, entsprechende Aufgaben für die Praxis müssen für viele Bereiche aber erst entwickelt werden.
Trainieren können Fußballspieler*innen etwa die visuelle Suche, also die Fähigkeit, Auffälligkeiten und Details in einem komplexen Szenario zu erkennen. Oder das effiziente Abrufen von internen mentalen Repräsentationen, wie Wissen über taktische Strategien am Spielfeld, oder das Erahnen des Verhaltens anderer Spieler*innen.
Und während Torschüsse und Kopfbälle am Spielfeld trainiert werden, kann Kreativitätstraining auch im Labor stattfinden. Längerfristig sollen die Ergebnisse der Studie dabei helfen, ein ausgewogenes Training zu entwickeln, das körperliche und psychologische Leistungen miteinbezieht.
Paradies für Kreativitätsforscher*innen
Teamsportarten wie Fußball seien jedenfalls ein Paradies für Kreativitätsforscher*innen, schwärmt der Psychologe, denn am Spielfeld könne Kreativität „sehr alltagsnah“ untersucht werden. „Um Tore zu schießen, müssen die Spieler*innen originell, überraschend und effektiv sein – also genau das, was wir in der Wissenschaft unter Kreativität verstehen.“
Zudem werde bei Studien zu Sportarten wie Fußball „sehr schnell klar“, dass nur interdisziplinäre Ansätze erfolgreich sein können – vor allem Psychologie, Sportwissenschaft und Gehirnforschung seien wichtig. Und gerade in dieser interdisziplinären Herangehensweise an dieses hochkomplexe Thema liege „ein ganz großer Reiz“.
Podcast „Hör-Saal“: #028: Wie kreativ ist Fußball? Jetzt hören.