Konsum ist kompliziert. Um zu verstehen, was wir warum, wie, wann und wo kaufen, müssen ForscherInnen interdisziplinär arbeiten.
Was braucht der Mensch?
In den Medien wird derzeit häufig über Konsum diskutiert, besonders oft scheint das im Sinne der Nachhaltigkeit zu passieren. „Was brauchen wir wirklich?“ ist eine Frage, die sich manche vielleicht stellen, besonders beim Anblick überquellender Kleiderschränke. Warum kaufen wir, was wir nicht zwingend brauchen?
„Alle Bedürfnisse, die über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinausgehen, sind kulturell spezifisch und zumeist ‚gelerntes Verhalten‘ innerhalb eines spezifischen Kontexts“, ordnet Dieter Bögenhold von der Uni Klagenfurt ein. Er hat gemeinsam mit der Soziologin Farah Naz ein Buch über Konsum und Lifestyle geschrieben, das einen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung zum Thema gibt.
Gibt es den Durchschnittskonsum?
Den einen Konsum gibt es nicht. Jeder Konsument, jede Konsumentin, ist grundverschieden. „Hier spielen volkswirtschaftliche, soziologische, historische und sozialpsychologische Komponenten ineinander“, beschreibt Bögenhold.
Doch zu wem blicken WissenschaftlerInnen dann, um zu sehen, in welche Richtung sich Konsum entwickelt? „Das gesellschaftlich klassische Konsumverhalten im Sinne von Durchschnittskonsum finden wir bei den zahlreichen Angehörigen der Mittelschichten“, erklärt der Soziologe. „Die Analyse der Konsumgewohnheiten der Mittelschichthaushalte zeigt uns, wohin die Reise bei den Freizeitgewohnheiten und –märkten, den Ernährungstrends, aber auch den Reise- und Tourismusinhalten geht.“
Millennials vs. Babyboomer
Die Frage nach den Gründen für Konsum wird dann besonders spannend, wenn es um verschiedene Generationen geht. Beispielsweise haben Babyboomer (also die Generation der sechziger Jahre) andere Konsumwünsche als die sogenannten Millennials (1980er bis 1990er Jahre).
„Bei den Babyboomern fingen historisch gesehen erstmals Urlaubsreisen per Flugzeug an, dasselbe galt für solche heute gewöhnlichen Konsumgüter wie ein Auto oder einen Telefonfestnetzanschluss“, erklärt Bögenhold. „Solche Ziele elektrisieren heute die jüngeren Generationen nicht mehr in demselben Maße oder ihre Inhalte haben sich geändert: Wo es eine Flugreise nach Mallorca in den sechziger Jahren war, ist heute vielleicht der Erlebnisurlaub in den Peruanischen Hochanden angesagt.“
Der Einfluss des Internets
Konsumforschung ist allerdings nicht nur ein Gegenstand der Forschung von SoziologInnen wie Bögehold, auch WirtschaftswissenschaftlerInnen wollen wissen, warum wir was, wo, wie und wann kaufen. In den letzten Jahren haben sich die Antworten auf all diese Fragen stark verändert: Das Internet hat sich auf dem Marktplatz breitgemacht. „Die Kontexte des Konsumverhaltens haben sich gewandelt genauso wie deren Inhalte und die beteiligten Berufe und Produkte“, sagt der Soziologe.
Der Markt hat sich grundlegend verändert, seit Online-Shopping existiert. „Das ist sozialer und beruflicher Wandel, der die Marktanbieter, Konsumenten und beteiligten Berufe gleichermaßen erfasst“, so Bögenhold. Doch oft wird das Internet verteufelt: Kleine Geschäfte verlassen die Marktlandschaft, weite Lieferwege schaden der Umwelt. Doch Bögenhold sieht diese Entwicklung des Marktes wertfrei: „Vor der Zeit des Internets war nicht alles anders, schon gar nicht besser.“
„Das Internet ist sicherlich eine Quelle der Zerstreuung, der Isolation und häufig eine ‚finite Sinnprovinz‘ eigener Art und umgekehrt aber auch ein Mittel der Informationsbeschaffung, der Bewertung von Produkten und Leistungen durch Preis- und Qualitätsvergleich und der Überwindung räumlicher Distanzen“, fasst Bögenhold zusammen, und schließt: „Viele Konsumbereiche erscheinen heute ohne das Internet kaum noch denkbar.“