Schrödingers Katze Schrödingers Katze

Der österreichische Wissenschaftsblog
43.000+ Fans

Load previous items
Teilnehmer*innen beim Experiment im ARS Electronica Center.
20. Februar 2024

Körper und Gedächtnis: Lernen mit allen Sinnen

Von Schrödingers Katze
Kommunikation/Sprache
Das Ergreifen von virtuellen Gegenständen hilft beim Lernen von Vokabeln – vor allem Menschen mit weniger Sprachbegabung.

Eine neue Sprache zu erlernen, fällt vielen Menschen nicht leicht, umso interessanter ist nun das Ergebnis einer Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz, die zeigt: Schon das virtuelle Ergreifen von Gegenständen hilft bereits, ein neues Wort besser und schneller zu lernen; vor allem hilft es den Menschen, die sich mit dem Vokabellernen sonst schwertun.

„Ich wollte im Rahmen des Experiments den Prozess des Spracherwerbs bei Erwachsenen rekonstruieren“, sagt Manuela Macedonia. Die Neurowissenschafterin ist am Institut für Information Engineering der JKU tätig und führte mit ihren Kolleg*innen das Experiment im Deep Space des ARS Electronic Centers durch. Dabei lernten 46 erwachsene Teilnehmer*innen mit unterschiedlicher Sprachbegabung Vokabeln – und das in einer Virtual-Reality-Umgebung.

Manuela Macedonia erklärt den Aufbau des Experiments: „Wir haben mit unseren Studienteilnehmer*innen drei Bedingungen getestet: Bei der ersten haben die Proband*innen die Wörter nur gelesen und gehört. Bei der zweiten haben sie die Gegenstände gesehen und bei der dritten Bedingung konnten sie die Gegenstände auch virtuell ergreifen.“

Zwei virtuelle Gegenstände – eine Hand und ein Behälter – sind zu sehen.
Virtuelle Gegenstände wie diese wurden den Teilnehmer*innen präsentiert © JKU

Virtuelles Greifen

In der Studie zeigte sich, dass die Proband*innen vom visuellen Input und vom virtuellen Ergreifen profitierten – vor allem die Personen, die kein großes Talent für Sprachen haben. Bei diesen Menschen ist laut Manuela Macedonia das deklarative Gedächtnis nicht besonders gut ausgeprägt. Das deklarative Gedächtnis ist ein Teil des Langzeitgedächtnisses, das zuständig für die Speicherung von explizitem Wissen – mitunter Wörter, Namen und Fakten –  ist. Bei manchen ist dieses eben schwächer ausgeprägt und mit zunehmenden Alter werden die Regionen im Gehirn, die für das deklarative Gedächtnis zuständig sind, auch ineffizienter.

Die Relevanz der körperlichen Erfahrung (in diesem Fall durch das Greifen der virtuellen Objekte) für den Spracherwerb ist eine Erkenntnis, die mit dieser Studie bewiesen werden konnte: „Wir konnten mit dem Experiment zeigen, dass diese körperliche Erfahrung, also das Greifen der Gegenstände – selbst wenn dies im Experiment nur virtuell geschah –  eine wichtige Rolle beim Spracherwerb spielt.“

Darüber, wie diese Erkenntnis Verwendung in der Praxis findet, sagt die Wissenschafterin: „Man kann davon ausgehen, dass ein Kind aber auch eine erwachsene Person sich die Bezeichnung des Gegenstands besser merkt, wenn sie ihn angreift und damit interagiert, als wenn sie die Bezeichnung nur liest und hört. Ein erster Schritt könnte sein, dass in der Primärschule möglichst viele Gegenstände vorhanden sind, die diesen Zweck erfüllen. Jene, die nicht physisch zur Verfügung stehen, könnten Lehrkräfte an die Wand projizieren und die Lernenden dazu ermuntern, ihre Kontouren und oder ihre Form ‚virtuell abzugreifen’. Diese sensomotorische Information würde stabilere Netzwerke im Gehirn der Lernenden schaffen und die neuen Vokabeln gegen Verfall widerstandsfähig machen.“

Embodiment

Manuela Macedonia, die sich in ihrer Forschung mitunter mit neurowissenschaftlichen Grundlagen des Lernens auseinandersetzt, ist Vertreterin des Embodiments, einer Theorie der Kognitionswissenschaft, die sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Den Begriff kann man mit Verkörperung übersetzen. Die Neurowissenschafterin sagt dazu: „Embodiment beschreibt die Tatsache, dass wir kognitive Prozesse nicht ohne Körper durchführen können. Ich sage seit bereits 30 Jahren, dass der Körper ein Lernwerkzeug ist. Durch Interaktionen des Körpers mit der Umwelt lernen wir besser.“

Die Wissenschafterin erklärt die Relevanz des Embodiments für kognitive Prozesse – wie etwa den Spracherwerb – anhand eines konkreten Beispiels: „Kinder lernen Wörter ihrer Muttersprache, indem sie mit der Umwelt interagieren. Das Kind nimmt zum Beispiel eine Zitrone in die Hand, riecht und lutscht daran, lässt sie fallen und hebt sie wieder auf. Durch diese körperlichen Tätigkeiten schafft das Kind ein sehr ausgedehntes Netzwerk im Gehirn, das die Erfahrungen speichert. Dann hört es irgendwann das Wort wieder, speichert es auch akustisch ab und versucht es schließlich nachzusprechen. Somit hat das Kind das Wort gelernt – dank einer Reihe von sensomotorischen Erfahrungen.“

Neurowissenschafterin Manuela Macedonia sitzt an ihrem Schreibtisch und studiert ein Buch.
Die Neurowissenschafterin Manuela Macedonia befasst sich mit der neurokognitiven Testung von Systemen, die Menschen durch Lernprozesse diverser Art begleiten © JKU

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook Like-Button. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
Weitere Informationen

Teile den Beitrag auf

Facebook
Twitter
Monatliche Updates in deiner Inbox!

Diese Artikel solltest du ebenfalls lesen

  • Eine Pistole ist auf eine Person gerichtet, die ihre Hände hochhält. Es sind jedoch nur die Schatten der beiden Menschen zu sehen, das Bild ist schwarz-weiß.

    Savet za čitanje: Zašto žene vole True Crime?

    November 29, 2024
  • Vier Menschen stehen im Kreis, zwei davon geben sich die Hand, alle lächeln.

    Ähnliche Sprache bringt mehr Kooperation

    November 14, 2024
  • Ein Laptop steht auf einem Tisch, auf dem Bildschirm ist der Satz "Join us online" zu lesen.

    Virtuelle Meetings verbessern

    August 27, 2024
« Ist nachhaltiger Skitourismus möglich?
Generika und Biosimilars: Skepsis beim Gesundheitspersonal  »

Forschung, die unser Leben verbessert

  • Erde

    Erde

  • Matrix

    Matrix

  • Medizin

    Medizin

  • Liebe/Geschlechter

    Liebe/Geschlechter

  • Astronomie & Sci-Fi

    Astronomie & Sci-Fi

  • Innovation

    Innovation

  • Ungleichheit

    Ungleichheit

  • Natur & Umwelt

    Natur & Umwelt

  • Kommunikation/Sprache

    Kommunikation/Sprache

  • Dinge

    Dinge

  • Naturwissenschaft

    Naturwissenschaft

  • Faktencheck

    Faktencheck

  • Psyche

    Psyche

  • Urbanismus

    Urbanismus

  • Philosophie & Geschichte

    Philosophie & Geschichte

  • Gesellschaft

    Gesellschaft

  • Kunst & Kultur

    Kunst & Kultur

  • Forscher*innen

    Forscher*innen

  • Mobilität, Technik & Zeit

    Mobilität, Technik & Zeit

  • Allgemein

    Allgemein

  • Ernährung

    Ernährung


Lesetipps in vielen Sprachen
Gesellschaft

Aktiv werden

Katzenpost

PapierfliegerDu hast Vorschläge zu Themen, die wir behandeln sollen? Dann schick sie uns!

Mit der Verwendung des Kontaktformulars nimmst du unsere Datenschutzerklärung zur Kenntnis.

    Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Google reCAPTCHA. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

    Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
    Weitere Informationen

    Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.

    Mehr Informationen
    Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren
    Schrödingers Katze
    • › Impressum
    • › Datenschutz
    • › Über uns
    • › Kontakt