Können Hunde menschliche Absichten verstehen? Dieser Frage gingen Forscher*innen des Clever Dog Labs an der Veterinärmedizinische Universität Wien nach. In der Studie verwendeten sie dabei einen Test, mit dem sonst in der Entwicklungspsychologe untersucht wird, ob menschliche Babys die Absichten von Erwachsenen verstehen können: Dabei saß die Versuchsleiterin vor einer Gitterbox mit einer durchsichtigen Kunststoffscheibe an der Vorderseite, in der sich ein Loch befand. Den Hunden wurde ein Stück Wurst angeboten, jedoch ließ die Person die Wurst – vermeintlich ungeschickt – fallen oder sie zog diese bewusst zurück, kurz bevor der Hund sie fressen konnte. Zudem war das Loch in der Plastikscheibe manchmal ganz verschlossen.
„Tatsächlich reagierten die Hunde ungeduldiger auf jene Handlungen, die Unwilligkeit signalisierten, Futter zugeben, als auf jene, die aus Ungeschicklichkeit oder Unfähigkeit erfolgten. Das zeigt, dass Hunde zwischen ähnlichen Handlungen, die zum gleichen Ergebnis führen, aber mit unterschiedlichen Absichten verbunden sind, unterscheiden“, erklärt Ludwig Huber, Verhaltensbiologe, Kognitionswissenschaftler und Universitätsprofessor an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
3D-Tracking-Software
An der Studie nahmen 48 Haushunde teil, deren Durchschnittsalter 77,5 Monate betrug. Es befanden sich 31 Hündinnen und 17 Rüden darunter. Hunderassen wie Australian Shepherd, Border Collie, Französische Bulldogge, Golden Retriever, Jack Russell Terrier, Pudel und Samojede waren an der Studie beteiligt. Jedoch konnten die Forscher*innen keinen Unterschied zwischen den Hunderassen feststellen.
Während des Experiments nahmen acht Kameras die Hunde auf und zugleich erfasste eine 3D-Tracking-Software jede Bewegung der Tiere. Somit wurde es für die Forscher*innen noch besser möglich, das Verhalten der Hunde zu beobachten. „Der Einsatz moderner Video- und Computertechniken ermöglicht nicht nur eine schnellere und präzisere Auswertung von tierischen Verhalten, er vermindert bzw. verhindert auch das (unabsichtliche) Gewichten oder Verzerren von Daten“, führt Ludwig Huber aus.
Das Ergebnis: Wenn die Hunde geneckt wurden, waren sie zu 78 Prozent der Versuchszeit in der Nähe der Box. Fiel der Versuchsperson wiederum die Wurst vermeintlich unabsichtlich aus der Hand, blieben die Hunde 11 Prozent länger vor der Plastikscheibe. War schließlich das Loch in der Plastikscheibe verschlossen, liefen die Hunde schnell zur Seite des Käfigs, um so eventuell an das Leckerli zu kommen. In diesem Fall blieben sie nur 64 Prozent der Zeit vor der Plastikscheibe.
Denken der Hunde
Die Tests wurden mit zwei separaten Kamerasystemen gefilmt und für die Bewertung des Verhaltens wurde eine Videoanalyse-Software verwendet. Zusätzlich haben die Forscher*innen maschinelles Lernen eingesetzt, um mehre Positionen am Hundekörper (sogenannte Keypoints) zu analysieren. „Wir haben vier Schlüsselpositionen am Körper der Hunde vermerkt: Schnauze, Kopfmitte, Schwanzansatz und Schwanzspitze. Damit konnten wir dann den Blickwinkel des Hundes berechnen, ebenso das Schwanzwedeln“, erklärt Ludwig Huber.
Die Auswertung der Daten ermöglicht zudem weitere Rückschlüsse über das Denken der Hunde: So neigten die Hunde dazu, mit dem Schwanz auf der rechten Seite des Körpers zu wedeln, wenn die Versuchsleiterin ungeschickt mit dem Leckerli hantierte. Schon bisherige Untersuchungen gingen davon aus, dass Schwanzbewegungen nach rechts bei Hunden mit positiven Emotionen in Verbindung stehen – das konnte nun bestätigt werden.
Kleinkinder und Menschenaffen verhielten sich in bisherigen Studien übrigens ähnlich wie Hunde. Ob Hunde jedoch die Gedanken von Menschen erkennen können, das ist laut den Forscher*innen weiterhin unklar.