Nicht nur Universitäten werden gern in Rankings fein säuberlich aufgefädelt präsentiert. Das Ganze trägt das Mäntelchen der Exzellenz und heftet sich auf die Fahnen, unterschiedliche Systeme global, einfach und eindeutig miteinander in Beziehung zu setzen. Nicht nur das: die Rankings bewerten die Einrichtungen, verteilen Goldmedaillen und verweisen kühl auf jene Plätze, auf denen es schon lange nichts mehr zu gewinnen gibt.
Aber auch Forscherinnen und Forscher (in diesem Fall ist die männliche Form dominant, mehr dazu unten) werden analysiert, gereiht, vermessen und dann in einer Bestenliste wieder ausgespuckt. Eine dieser Listen wird vom Verlag Thomson Reuters unter dem Titel The World’s Most Influential Scientific Minds 2014 publiziert. Die Basis dieser Bewertung liegt in der Präsenz der Wissenschaften auf den von Reuters betriebenen Plattformen Web of Sciene und InCites. Wer da mehr engmaschige Netze knüpft, klettert im Ranking nach oben. Um repräsentativ zu sein und keine Shooting Stars zu hoch zu ranken, hat sich Reuters die vergangenen elf Jahre angesehen. Wessen Werk hatte den „highest impact“? Diese Frage wird dann auch gleich 3217 Mal beantwortet. Die größte Strahlkraft, den schärfsten Verstand und damit den weltweit größten Einfluss haben diesmal genau 17 einzelne Wissenschafterinnen. Sie dürfen sich bei Reuters für den Titel „Hottest Researcher of Today“ bedanken. Die restlichen 3200 sind auch noch sehr gut und bilden das Top-Prozent der weltweiten Wissenschafter-Population, sind also exzellent in ihrem Forschungsfeld. Hier zeigen auch Österreichs Forscher, dass sie zur Weltspitze gehören können.
16 Österreicher unter den ersten 3200
Keine einzige Frau, aber 16 Männer finden sich im exklusiven Reuters-Zirkel. Einer von Ihnen ist der Innsbrucker Physiker Christian Roos. Eine dramatische Erfahrung war die Liste für ihn nicht. „Ich habe erst nach der Veröffentlichung davon erfahren. Das E-Mail ist im Spam gelandet. Wenn man mit Menschen zu tun hat, die das Fachgebiet kennen, dann ist diese Liste nicht sehr wichtig. Sie wird dann eventuell wichtig, wenn sich jemand einen Eindruck verschaffen will, dem die fachliche Qualifikation fehlt, selber das Arbeitsgebiet kompentent zu beurteilen. Dann bietet sie Forschungsleistung, die in Zahlen mündet.“ Wie schaut es aus, das Leben eines der Fast-Hot-Scientists? Die Forschungsschwerpunkte von Roos klingen futuristisch:
„Quantum optics with a single or few trapped ions“ findet sich da. Oder „Entangled quantum systems / Physics of quantum information“. „Precision spectroscopy with lasers“ klingt definitiv nach Zukunft und auch „Cold atomic gases“ versprühen schon verbal die Aura des Fortschritts.
Der Arbeitsalltag des Christian Roos wirkt dagegen nüchtern. „Ich komme um 08.30 Uhr ins Büro und bleibe durchschnittlich bis 19.00 Uhr. Teils arbeite ich auch am Wochenende, teils auch am Abend. Das ist für mich normal.“ Dazu kommen einige Stunden im Flugzeug und am Flughafen. Wie viele es waren, weiß Roos nicht auswendig. Er öffnet seinen Computer und klickt sich auf sein Log-Buch durch. „Da steht alles genau drin. Also, 2013 waren es 15 Auslandsreisen, 2 Mal in die USA, 3 Mal nach Deutschland, dazu noch die Niederlande, Dänemark, Frankreich und Spanien.“ Ob sich daneben noch ein gepflegtes Familienleben ausgeht? „Ja, das geht. Wir haben seit kurzem ein Baby und ich versuche seither die Zahl meiner Reisen auf das Nötigste zu reduzieren.“
It’s a Man’s World – also die Physik
Und wie kommt es, dass sich keine einzige Frau im erlauchten Kreis findet? Gar nicht so leicht zu beantworten. Christian Roos kann nur für sein Fach, die Physik, sprechen und auch da nur für die Universität Innsbruck. Seine Erklärung beginnt mit einer Feststellung, die ebenso schlicht wie weitreichend ist: „Die Physik ist eine Männerdomäne“, meint Roos. „In unserer Arbeitsgruppe hier haben wir einen Frauen-Anteil von 20 %. Das ist alles ein bisschen männlich dominiert. Und es ist auch so, dass der Frauenanteil abnimmt, je weiter es die Karriereleiter hinaufgeht. Es gibt sicherlich Bestrebungen, Frauen zu fördern. Es ist aber schwierig, sich eine einfache Gegenmaßnahme zu überlegen.“ Kein leichtes Unterfangen. Und dann kommt das Argument, das immer wieder kommt. „Ich kenne auch Einzelfälle, wo es für Physikerinnen nach der Doktorarbeit darum ging, sich zwischen dem Verbleib in der Forschung und der Familienplanung zu entscheiden. Da scheint es so zu sein, dass Frauen im Vergleich zu Männern manchmal außerberuflichen Zielen höhere Prioritäten geben als Karrierezielen und wenn sie einen Konflikt zwischen beiden sehen, sich dann eher beruflich umorientieren.“
Dass es besonders viele Physiker in der Reuters-Liste gibt überrascht in nicht. „Das hat schon in den 1990ern mit Herrn Zeilinger begonnen und hat sich fortgesetzt durch spektakuläre Experimente, die Interesse weckten. Dabei muss man sich immer die Frage stellen, wie man die Ergebnisse kommuniziert. Wie weit man gehen will. Ob man auch Anspielungen auf einen gewaltigen Durchbruch einbaut. Da muss man Acht geben.“ Die aktuellen Studierendenzahlen sind entsprechend hoch und haben sich in den vergangenen 10 Jahren positiv entwickelt.
Science transcended
Wenn schon die Punkte am Reuters-Trend Indikator nicht so viel zählen, was sind denn Errungenschaften, die ein Weltklasse-Forscher wie Christian Roos aus seiner Arbeit mitnimmt. Was hat ihn die Wissenschaft gelehrt, das nichts mit Formeln oder Zahlen zu tun hat?
Die Antwort kommt nach kurzer Überlegung und in einem Guss: „Neugierig zu bleiben“, meint Roos. Sich nicht nur einmal für etwas begeistern zu können, sondern den wissenschaftlichen Enthusiasmus am Lodern zu halten. „Kontinuierlich neugierig zu bleiben. Diese Eigenschaft muss man sich erhalten, wenn man erfolgreich sein will. Das ist eine Haltung, eine Einstellung, die auch auf andere Lebensbereiche abfärbt.“