Body Mass Index war gestern, heute sollte man sich mit dem FSFI, dem Female Sexual Function Index, auskennen. Dieser Index zeigt die Zufriedenheit der Frau mit ihrem Sexualleben an. Probleme mit der Sexualität haben nämlich viele, sowohl Frauen als auch Männer. Weder bestimmte Altersgruppen, noch Paare, die sich schon jahrelang kennen und lieben, sind ausgenommen. Ursachen für sexuelle Unzufriedenheit gibt es dabei viele – körperliche wie seelische. So klar kann man die Bereiche aber nicht trennen, weiß Sexualmedizinerin Dr. Bayerle-Eder von der MedUni Wien.
Ob verminderte Lust, Erregungsstörungen, Probleme, zum Orgasmus zu kommen oder Schmerzen – die Störungen und Ursachen sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Menschen selbst und bedingen sich oft gegenseitig. Hormonelle Veränderungen, die Einnahme von Medikamenten, zum Beispiel gegen Diabetes oder Depressionen können Sexualfunktionsstörungen auslösen. Bis zu 40 Prozent der Frauen und über 30 Prozent der Männer leiden darunter. Bei chronisch-kranken Menschen sind es über 80 Prozent – die Probleme werden entweder durch die Erkrankung selbst oder durch die Medikamente verursacht. Dass die Libido mit zunehmenden Alter nachlässt, ist übrigens nicht bewiesen. Die Gehirnregionen, die für das Lustempfinden verantwortlich sind, bleiben bestehen, aber Gefäße verkalken, die Schleimhäute schrumpfen, und bremsen so die genitale Leistungsbereitschaft.
„Es Gibt leider noch immer jede Menge Tabus.“ –Dr. Bayerle-Eder.
Lustpille für die Frau
Gegen Sexualfunktionsstörungen gibt es über 25 Medikamente (darunter auch das weit verbreitete Viagra) für Männer am Markt, für Frauen hingegen keine. „Es gibt zu wenig Forschung in diese Richtung, und leider noch immer jede Menge Tabus“, ist Dr. Bayerle-Eder von der MedUni Wien überzeugt. Die Wissenschaftler nahmen das zum Anlass für eine Studie, die die Wirkung des als Bindungshormon bekannten Oxytocin zur Verbesserung von sexuellen Schwierigkeiten bei Frauen testete.
Die Probandinnen erhielten über einen Zeitraum von 22 Wochen therapeutische Behandlung, sprachen regelmäßig mit Ärzten, und führten Tagebuch über ihr Sexualleben. Außerdem wurde ein Oxytocin-Nasenspray unmittelbar vor dem Sex verabreicht. Erstaunlich war, dass eine deutliche Verbesserung im sexuellen Erleben und der Zufriedenheit festgestellt werden konnte.
Allerdings hatte eine Vergleichsgruppe, die nur ein Placebo erhielt, ähnlich verbesserte Werte.
Dr. Bayerle-Eder und ihr Team schließen daraus: „Wir denken, dass vor allem die Beschäftigung mit der eigenen Sexualität, das Sprechen mit dem Partner und Ärzten, einen sehr positiven Einfluss auf die Zufriedenheit der Probandinnen hat.“
Den Nasenspray mit Oxytocin gibt es übrigens in Apotheken. Er wird allerdings verschrieben, um Müttern den Abstillungsprozess zu erleichtern. Zwar konnte die positive Wirkung auf Sexualfunktionsstörungen durch die Studie bewiesen werden, mehrere Faktoren spielten aber zusammen – Das Oxytocin war nicht allein für die beobachteten Verbesserungen verantwortlich.
Ein anderer Wirkstoff, der nun im dritten Anlauf von der US-Zulassungsbehörde FDA (Federal Drug Administration) zugelassen wurde und im Oktober 2015 unter dem Namen „Addyi“ auf den US-Markt kam, ist Flibanserin. Dieser medial als „Viagra für die Frau“ bezeichnete Wirkstoff verändert das Hormongleichgewicht im Gehirn und soll so die Lust steigern und zu besserem Sex führen. Aber auch hier wurde in der Placebo-Gruppe eine deutliche Verbesserung der Sexualfunktion gesehen. Außerdem hat dieser Wirkstoff unangenehme Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit und Übelkeit und darf nur von ÄrztInnen verschreiben werden, die zur Anwendung eingeschult und eine Berechtigung von der FDA erhalten haben.
Tipps der Sexualmedizinerin
Dr. Bayerle-Eder rät folglich zu besserer Kommunikation in der Beziehung, mit dem Partner zu sprechen und Wünsche auszusprechen. Die emotionale Ebene ist entscheidend und es wichtig, sich selbst und seine Bedürfnisse gut zu kennen: „Dabei kann auch Masturbation eine große Hilfe sein. Man sollte den eigenen Geschmack und die Lust auf allen Ebenen kennenlernen: Was schmeckt mir, welche Musik gefällt mir, all diese Dinge können das Erleben von Sexualität verbessern.“
Unter diesem Gesichtspunkt sieht die Medizinerin auch die Rolle von Aphrodisiaka: Es sind nicht die Inhaltsstoffe bestimmter Speisen, die scharf machen, sondern vor allem das Setting, in dem sie gegessen werden. So wird Austern oft eine luststeigernde Wirkung nachgesagt, die aber nicht bewiesen wurde. Fakt ist, dass man sich beim gemeinsamen Genießen kostbare Speisen Zeit lässt und das Zusammenkommen zelebriert. Sex als Ritual zu feiern und zu planen ist ein weiterer Tipp von der Expertin.
8 Mal Erstaunliches rund um Sex
Zum Valentinstag haben wir acht erstaunliche Fakten zum Thema Sex zusammengestellt:
- Während des Eisprungs erhöht sich der Testosteronspiegel der Frau, und damit häufig auch die Lust auf Sex. Statistiken zeigen, dass die meisten Seitensprünge an den fruchtbaren Tagen geschehen.
- Orgasmen sind Jungbrunnen. Sie verlangsamen den Alterungsprozess und fördern die Regeneration des Körpers. Pro Höhepunkt werden außerdem mindestens 300 kcal verbrannt. Dafür müsste man alternativ eine Stunde intensiv schwimmen. Bei einem einzigen Orgasmus werden 500 Muskeln bis zum vierfachen ihrer normalen Maximalkraft isometrisch und zeitgleich kontrahiert.
- 64% der Deutschen sind mit ihrem Sexleben zufrieden. Damit liegt Deutschland knapp hinter Österreich (65%) und der Schweiz (70%), ergab die Studie des Kondomherstellers Durex aus dem Jahr 2012.
- Die sogenannte Mediterrane Diät verbessert das Sexualleben deutlich, das konnte in einer Studie nachgewiesen werden. Aber keine aphrodisierende Wirkung der Lebensmittel, sondern der positive Effekt von gesunden Fetten, Vollkornprodukten und reichlich Gemüse auf die Gesundheit ist dabei entscheidend. Erektionsstörungen bei Männern konnten durch diese Ernährung behoben und vorgebeugt werden.
- Eine US-amerikanische Firma stellt das Produkt „Foria“ her: Ein THC-haltiges Gleitgel mit natürlichen Inhaltsstoffen, das nur auf Verschreibung erhältlich ist. Es soll das Empfinden der Frau verstärken und somit zu längeren und intensiveren Orgasmen verhelfen, ohne Hormone.
- Es gibt einen Ehrentag für die Vagina: Der „Vagina-Tag“ wurde am 14. Februar 1998 ins Leben gerufen, um die noch vorhandenen Unkenntnisse über das weibliche Geschlechtsorgan aus der Welt zu schaffen. Als Datum suchte man sich den Valentinstag aus. Was passt besser zum Thema Vagina als der Tag der Liebe?
- Entwicklungsbiologisch gehen der Penis und die Klitoris aus denselben Anlagen hervor. Die Geschlechtsorgane bilden sich beim Fötus aus den gleichen embryonalen Strukturen. In der 18. Schwangerschaftswoche haben sowohl männliche als auch weibliche Embryonen einen nicht-geschlechtsspezifischen Phallus, aus dem sich dann erst der Penis oder die Klitoris entwickelt.
- Weibliche Ejakulation beim Orgasmus kommt vor, es handelt sich dabei nicht um Urin, sondern wahrscheinlich um ein Sekret aus der weiblichen Prostata, so die Sexualmedizinerin Dr. Bayerle-Eder. Nicht jede Frau hat die körperlichen Anlagen dazu, genau wie nicht alle über einen G-Punkt, ein Gewebe mit besonders vielen Nervenenden, verfügen.
Am 2. und 3. Dezember 2016 findet am AKH Wien übrigens der 3. sexual-medizinische Kongress statt. Anmeldung unter www.sexualmedizin.or.at.
Text: Pia Gärtner
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