Rund fünf Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen sparte Österreich 2023 im Vergleich zu 2022 ein, das ermittelten Forscher*innen des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel (Universität Graz). Die Gründe dafür nennt Gabriel Bachner: „Die Schätzung geht davon aus, dass der Rückgang stärker durch die Industrie und Heizsysteme getrieben ist, leichte Verbesserungen im Transportsektor sind zum Großteil durch weniger ‚Tanktourismus‘ erklärbar, also durch den Rückgang der Menge des in Österreich getankten aber im Ausland verfahrenen Treibstoffs. Vor allem ist der Gasverbrauch (und dessen Emissionen) zurückgegangen und nicht so stark der Strom- und Ölverbrauch.“ Weitere Gründe für den Rückgang liegen einerseits im besonders warmen Wetter (weswegen weniger geheizt werden musste) sowie andererseits in der schwächelnden Wirtschaft. Der Emissionsrückgang ist also nur zum Teil Folge eines strukturellen Wandels, der größere Teil ist Folge dieser Einmaleffekte, so Gabriel Bachner.
Dieser Trend zeigt sich auch in anderen europäischen Ländern, sagt sein Kollege Moritz Pichler: „Ein Vergleich mit der Gesamtsituation innerhalb der Europäischen Union zeigt ein ähnliches Bild. Hier sind die CO2-Emissionen nach Einschätzung des Global Carbon Project im Jahr 2023 um geschätzte 7,4 Prozent gesunken, ein vergleichbarer Wert zu unserer Schätzung für Österreich.“
Das Ausmaß der Treibhausgas-Emissionen wird übrigens nicht direkt gemessen, erklärt Moritz Pichler: „Man stelle sich den Aufwand vor, nicht nur an jedem Fabrikschlot, sondern auch an jedem Schornstein, jedem Auspuff usw. ein Messgerät anbringen zu müssen. Und selbst dann hätte man zum Beispiel Emissionen durch Landnutzung nicht abgedeckt und mit groben Messungenauigkeiten zu kämpfen.“ Daher setzten die Wissenschafter*innen auf die Emissionsberechnungen des Umweltbundesamtes auf Basis der Emissionsfaktoren unterschiedlicher Aktivitäten.
Weiterhin Emissionen reduzieren
Auch in den kommenden Jahren sind Emissionsrückgänge in derselben Größenordnung wie in den letzten zwei Jahren notwendig. Dazu braucht es klare Rahmenbedingungen vonseiten der Politik und die Länder müssen sich auf Veränderungen auch einlassen, ergänzt Karl Steininger, Leiter des Wegener Center für Klima und Globalen Wandel und der Arbeitsgruppe „EconClim“. Steininger sagt weiters: „Der Lohn dafür ist dann hoch, eine klimaneutrale Wirtschaft hilft uns in so vielen anderen Dimensionen auch weiter. Die nordeuropäischen Länder gehen vielfach diesen Weg – sonst aber fehlen noch ausreichend gesetzte politische Maßnahmen.“
Laut Bachner war der CO₂-Preis, also eine Steuer auf umweltschädliche Brennstoffe, nur ein erster Schritt. Es müssen vor allem mehr Anreize und auch die Möglichkeiten für die Verkehrsreduktion für die Bevölkerung geschaffen werden. Gabriel Bachner nennt konkrete Beispiele: „Mehr Home Office, Zersiedelung stoppen bzw. rückgängig machen, Städte smart planen bzw. verdichten und den dann noch verbleibenden Verkehr auf andere Verkehrsmittel verlagern – sprich mehr Öffis/Sharing (v. a. auch am Land) und den gar nicht vermeidbaren Individualverkehr auf Elektro (auch z. B. Fahrräder) umstellen.“
Zudem muss massiv in Gebäudedämmung und saubere Heizsysteme investiert werden, ebenso sind die Bereiche Energie und Industrie wichtig, wobei diese ohnehin von EU-Emissionshandelssystem abgedeckt sind. Österreich sollte generell auf Kreislaufwirtschaft sowie mehr Windkraft und Photovoltaik-Anlagen setzen, so Bachner.
Prognose für die Zukunft
2023 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1850, davor war es das Jahr 2016. Manche Menschen verlieren bei solchen Schlagzeilen die Hoffnung und sehen den Kampf gegen die globale Erwärmung als bereits verloren an. Moritz Pichler betont: „Mittels rapider und tiefgreifender weltweiter Emissionsreduktionen ließen sich die Pariser Klimaziele vermutlich noch erreichen. Doch ob das gelingt oder nicht: Jeder Bruchteil eines Grades Erwärmung verstärkt die negativen Auswirkungen. Die Bemühungen sind also in diesem Sinne keineswegs zwecklos.“
Gehen die weltweiten Emissionen innerhalb weniger Jahre drastisch zurück, dann sind die Pariser Klimaziele nach wie vor erreichbar. Im nächsten Jahrzehnt wird die 1,5 °C-Schwelle überschritten, aber „man kann in diesem Fall von einer geringfügigen Abkühlung bis zum Ende des Jahrhunderts ausgehen“, sagt Moritz Pichler.
Reduzieren wir die Emissionen jedoch nicht (genug), dann müssen wir mit einer kontinuierlichen Erwärmung gegen Ende des Jahrhunderts rechnen – und diese wird deutlich über +2 °C ausfallen. Das hätte zahlreiche Konsequenzen, wie den Anstieg des mittleren Meeresspiegels um deutlich über einem halben Meter oder einer stärkeren Häufung von Hitzephasen und grobe Auswirkungen auf Gesundheit, Migration, Wirtschaft und viele andere Bereiche. „Auch die Gefahr, Kipppunkte des Klimasystems (z. B. das irreversible Abschmelzen der Grönland- und Westantarktis-Einsschilde) zu erreichen, stiege in diesem Fall stark an“, so Pichler.