Korrekterweise sollte man vom „Darmgefühl” sprechen. Denn unsere Darmflora beeinflusst nicht nur die Verdauung und das Immunsystem. Ein gesunder Darm verbessert auch die Stimmung und kann unserer Erinnerung und Entscheidungsfindung auf die Sprünge helfen.
Probiotika gegen Depressionen
Einige Studien deuten darauf hin, dass eine gut funktionierende Darmflora bei depressivem Verhalten hilft. Die neue Studie von Veronika Schöpf von der Uni Graz zeigt jetzt erstmals, was die gezielte Ansiedlung der richtigen Bakterien im Darm für positive Auswirkungen auf das Gedächtnis und die Entscheidungsgeschwindigkeit von gesunden Menschen haben kann.
Teilnehmer der Studie nahmen vier Wochen lang regelmäßig Probiotika. Eine zweite Gruppe erhielt Placebos, die dritte Gruppe nahm gar keine Mittel ein. Probiotika sind Nahrungsergänzungsmittel, die für den Darm wichtige Bakterien enthalten. In dieser Studie wurden den Probanden Laktobazillen zugeführt, die zur Gattung der Milchsäurebakterien gehören.
Laktobazillen helfen Darm und Gehirn
Milchsäurebakterien werden bei der Lebensmittelherstellung zur Fermentation eingesetzt, besonders wichtig sind sie in der Milchindustrie für die Herstellung von Käse und Joghurt. Große Mengen von Laktobazillen findet man in Produkten wie Sauerkraut und Sauerteig, aber auch in anderen Fermentationsprodukten wie etwa Misopaste.
Laktobazillen kommen beim Menschen vor allem im Darm vor. Allgemein leben bis zu 1000 verschiedene Arten von Bakterien im Darm. Ein gesunder Darm hilft aber nicht nur der Verdauung und dem Immunsystem: Studien deuten darauf hin, dass er sowohl im Tierversuch als auch bei Menschen gegen Depressionen helfen kann.
Bessere Merkfähigkeit
Trotz der Hinweise aus anderen Studien haben die Ergebnisse Veronika Schöpf überrascht. „In unserer Studie haben wir gezeigt, dass Menschen sich nach einer vierwöchigen Einnahme von Probiotika Dinge besser merken und schneller auf emotionale Reize reagieren können”, so Schöpf zu den Ergebnissen.
Teilnehmer der Studie mussten in den Versuchen, die der Probiotikaeinnahme folgten, in einer Reihe von Fotos diejenigen Gesichter mit negativem Ausdruck von jenen mit neutralem Ausdruck unterscheiden. Nach einer Pause wurden ihnen die Bilder erneut gezeigt, diesmal mussten sie angeben, ob sie dieses Bild zuvor schon gesehen hatten.
Noch keine klinische Anwendung
„Die Probanden, die Probiotika bekamen, waren sich im Gegensatz zur Placebo- und zur Kontrollgruppe wesentlich sicherer in ihren Antworten”, sagt Schöpf. “Und Sie haben wesentlich akuratere Antworten gegeben, und das auch schneller.” Klinisch können Probiotika allerdings noch nicht zu diesem Zweck eingesetzt werden, so Schöpf. „Wir wissen weder, wie lange die Wirkung anhält, noch, welche Wechselwirkungen es geben kann.” Dass ihre Studie den Grundstein für weitere Forschungsarbeit über die therapeutische Anwendung von Probiotika gelegt hat, wollen ihre Autoren allerdings nicht ausschließen.