„Generika und Biosimilars sind pharmakologisch sowie klinisch geprüfte Nachfolgeprodukte von Originalarzneimitteln, die nach Patentablauf des ursprünglichen Originalpräparats auf den Markt kommen können“, erklären Lukas Binder und Markus Zeitlinger von der Universitätsklinik für Pharmakologie, Medizinischen Universität Wien. Dabei unterscheiden sich Generika und Biosimilars deutlich: Generika sind Nachfolge-Medikamente von chemisch erzeugten Arzneimitteln. Sie müssen denselben Wirkstoff aufweisen – und das in identischer Dosierung und ebenso in einer vergleichbaren Verabreichungsform (etwa in Form von Tabletten, Cremes oder Säften). Jedoch können Hilfsstoffe (diese sind nötig, damit das Medikament für die Patient*innen gut anwendbar und verträglich ist), Verpackung, Haltbarkeit und das Herstellungsverfahren vom Original abweichen.
„Biosimilars stammen hingegen von den Biologika (Biopharmazeutika) ab. Diese bestehen aus deutlich größeren und komplexeren Molekülen und können daher nicht chemisch hergestellt werden, sondern nur von einem biologischen Organismus“, erklären Lukas Binder und Markus Zeitlinger. Zur Herstellung werden etwa Bakterien, Säugetierzellen oder humane Zelllinien benötigt, das ist teurer und aufwendiger als Generika zu produzieren. „Aufgrund dessen ist es im Falle der Biopharmazeutika auch nicht möglich, ein exakt identes Nachfolgeprodukt herzustellen. Biosimilars sind dem Original in höchstem Maße ähnliche Arzneimittel und müssen Studien zur gleichwertigen Sicherheit und Wirksamkeit erfüllen, bevor sie zugelassen werden.“
Vorteile
Generika und Biosimilars sind in Österreich günstiger, da es ein festgelegtes Stufenmodell gibt, das Preissenkungen um bis zu 65 % vorsieht; somit entlasten diese Präparate das Gesundheitssystem bedeutend. Sie haben noch weitere Vorteile: „Darüber hinaus sorgen sie für mehr Konkurrenz am pharmakologischen Markt, wodurch Pharmaunternehmen angeregt werden, die Innovation und Erforschung neuer Medikamente voranzutreiben. Außerdem stellen Generika und Biosimilars in vielen Teilen der Welt die Versorgung der Bevölkerung mit medikamentösen Therapien sicher.“
Hinsichtlich der Frage, ob Generika und Biosimilars eine gute Möglichkeit darstellen, um Versorgungsengpässe abzufedern, schränken die beiden Experten ein: Generika werden nämlich oft in derselben Fabrik hergestellt wie die Originale. „Außerdem spielen bei Medikamentenengpässen auch die Verfügbarkeit bestimmter Rohstoffe sowie die Arzneimittelbevorratung eine Rolle.“
Skepsis
Es gibt aber Bedenken sowie Wissenslücken vonseiten des medizinischen Personals, das zeigte eine Umfrage der beiden Wissenschafter, die unter medizinischen Fachkräften in Wien durchgeführt wurde. Das Ergebnis: Von 593 Teilnehmer*innen sind nur 63 % von der klinischen Gleichwertigkeit der Präparate – im Vergleich zum Original – überzeugt. Das Wissen zu Generika und Biosimilars ist ausbaufähig: Bei Fragen zu Generika wurden durchschnittlich 1,6 von 4 Fragen richtig beantwortet, während es bei Biosimilars sogar nur 0,87 von 4 Fragen waren. „Die größten Bedenken halten sich beim Wechsel von Originalpräparat auf ein Generikum/Biosimilar unter laufender Therapie bei Patient*innen hartnäckig. 79 % aller Ärz*innen switchen im Normalfall bei ihren Patient*innen nicht, sondern belassen die Originaltherapie. Weitere Bedenken beziehen sich hauptsächlich auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der Generika/Biosimilars. Nur 45 % des Gesundheitspersonals äußerte grundsätzlich keine Bedenken gegenüber Generika – bei Biosimilars waren es überhaupt nur 34 %.“
Vergleiche
Obwohl ein Vergleich mit anderen Ländern schwierig ist, lassen sich hier einzelne Aussagen treffen. Zwei interessante Aspekte heben die beiden hervor: Einerseits stammen die meisten Studien aus den Jahren 2016 bis 2019 und seitdem konnte wohl „kein Fortschritt in der Meinung hinsichtlich Generika erzielt werden.“ Andererseits zeigte eine Meta-Studie aus 2014, dass Mediziner*innen „aus sogenannten ‚High-Income-Countries‘ eine positivere Einstellung gegenüber Generika vertreten als Ärzt*innen aus ‚Low- oder Middle-Income-Countries‘.“
Schulungen
Einen Einfluss der Pharmabranche sehen die beiden nicht: „Generika- und Biosimilarsfirmen bewerben ihre Produkte ebenso und bemühen sich im Sinne ihrer Produktpalette um Aufklärung im Gesundheitswesen.“ Laut Binder und Zeitlinger sind Unwissen und fehlende Information Schuld an den Vorurteilen und negativen Haltungen gegenüber Generika und Biosimilars. „Hier gilt es, gezielt medizinisches Personal zu schulen. Darum bemüht sich unter anderem auch die Pharmabranche mit diversen Initiativen, allerdings wäre es auch im Sinne der Ärztekammer und Krankenhausverbände, ihrem Personal dahingehend Fortbildungen anzubieten.“