Mit unseren Sinnen erleben wir die Welt – und das von Anfang an: „ Die Verbindung zwischen Berührung und Bewegung entwickelt sich schon sehr früh. Diese Verbindung ist wichtig, weil sie die Basis für Interaktion mit der Umwelt darstellt. Um die Umwelt kennenlernen zu können, brauchen Babys und Kleinkinder Eindrücke aus dieser Umwelt. Diese Information bekommen die Kinder über ihre Sinne: Hören, sehen, fühlen“, erklärt die Biopsychologin Boukje Habets. Sie ist seit 2021 an der Universität Salzburg tätig und leitet dort das Kinderlabor „B hoch 3“, in dem sie zu Sinneseindrücken von Babys, Kindern und Jugendlichen forscht.
Berührung und Bewegung
Babys und Kleinkinder müssen in der Lage sein, auf die Eindrücke aus der Umwelt zu reagieren, zum Beispiel, wenn sie ein Objekt ergreifen wollen. Daher ist die Verbindung zwischen Berührung und Bewegung eine der ersten Entwicklungsschritte. Über die Haut und über das Gleichgewichtssystem werden diese Erfahrungen gesammelt – und das bereits vor der Geburt: „Der Fötus fängt schon sehr früh an, sich im Bauch zu bewegen, ungefähr neun Wochen nach der Befruchtung. Dies sind keine gezielten, freiwilligen Bewegungen, sondern eher Reflexe. Diese Reflexe sorgen aber dafür, dass Berührung stattfindet – am eigenen Körper oder an der Innenwand der Gebärmutter“, führt die Expertin aus. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch unsere Haut, denn über diese lernen wir die Grenze zwischen Körper und Umwelt kennen. So weiß man aus der Erwachsenenforschung, dass unsere Sinne uns helfen, zu wissen, was zum eigenen Körper gehört und was nicht.
Entwicklung der Sinne
Die Forscherin versucht, die Entwicklung der Sinne von der Geburt bis nach der Pubertät zu erfassen. „Wir wollen verstehen, wie Kinder ihre Umwelt wahrnehmen, wie sie lernen diesen Umwelt zu verstehen, um effizient mit ihr agieren zu können“, fasst Boukje Habets die Relevanz ihrer Forschung im Kinderlabor zusammen. Die Psychologie fokussierte zwar auch bisher auf den Körper, aber im Moment gewinnt die Interaktionsebene zwischen Körper und Gehirn mehr an Bedeutung, da die isolierte Gehirnforschung zu wenig Antworten gegeben hat: „Die Interaktion zwischen Körper und Gehirn, zwischen Sinnessystemen und Gehirn, zwischen Umwelt und unserem Körper, gibt uns einen besseren Ansatz, den Mensch und seine Reaktionen zu verstehen.“
Gummihand-Illusion
Im Kinderlabor liegt der Fokus auf der Entwicklung von Berührung und Körperwissen, dem Wissen eines Menschen über den eigenen Körper. Das testet Boukje Habets auf unterschiedliche Art und Weise: So untersuchte sie bei etwa bei verschiedenen Altersgruppen, welches Sinnesinformationen für das Körperbild wichtig sind und inwiefern Kinder diese Infos zusammenfügen können. Das lässt sich mit sogenannten Illusionen überprüfen. Eine davon ist die „Gummihand-Illusion“: Dabei legt eine Versuchsperson ihre Hand hinter einem Versteck auf einen Tisch, die Wissenschafter*innen verdecken diese Hand und legen eine täuschend echte rechte Gummihand daneben. Danach wird sowohl die verdeckte echte Hand als auch die unsichtbare Hand von dem Versuchsleiter/der Versuchsleiterin gestreichelt. Das Ergebnis: Nach kurzer Zeit haben die Proband*innen das Gefühl, dass die künstliche Hand Teil ihres Körpers ist. „Das Gehirn fügt die Information zusammen, indem es die Berührung auf die künstliche Hand verlagert. Damit entsteht das Gefühl, dass die künstliche Hand eine echte Hand ist und zum Körper gehört. Solche Illusionen zeigen uns also, wie unterschiedlichen Sinnesinformationen zusammengefügt werden“, so Boukje Habets.