Weltweit gibt es nur 64 Forschungsstätten, die von der European Physical Society (EPS) als „EPS Historic Site“ prämiert werden. Die Victor-Franz-Hess-Messstation in Innsbruck ist seit Herbst 2022 eine davon und somit die dritte historisch wichtige Forschungsstation in ganz Österreich. 2022 wurde außerdem die Neugestaltung der Station abgeschlossen und diese steht nicht nur Forscher*innen, sondern auch dem interessierten Publikum offen. Die Victor-Franz-Hess-Messstation ist bedeutend für die Physik, denn hier wurde Wissenschaftsgeschichte geschrieben: 1931 gründete der Universitätsprofessor und Physiker Victor-Franz-Hess (1883 – 1964) hier auf dem Hafelekar das weltweit erste Hochgebirgslabor zur Erforschung der Kosmischen Strahlen. Diese hatte der Forscher bereits 1912 entdeckt – und zwar bei Ballonfahrten.
Kosmische Strahlung
Kosmische Strahlung, früher auch als Ultrastrahlung bezeichnet, ist eine hochenergetische Teilchenstrahlung, die von der Sonne, der Milchstraße und fernen Galaxien kommt. Sie besteht aus Protonen, Elektronen und vollständig ionisierten Atomen. Warum gerade diese Location so passend für die Erforschung der Kosmischen Höhenstrahlung war, dazu sagt Olaf Reimer, Professor für Experimentelle Physik an der Universität Innsbruck: „Zwei Gründe: Die Kosmische Strahlung nimmt in ihrer Intensität mit der Höhe über dem Erdboden zu, daher sind Höhenmessstationen für dieses Forschungsgebiet prädestiniert. Hingegen nimmt der Einfluss der natürlichen Radioaktivität mit Höhe über dem Erdboden ab, so dass Messungen der Kosmischen Strahlung weniger kontaminiert durchgeführt werden können. Letztlich war es dann wohl die leichte Erreichbarkeit eines Gipfels von ca. 2300m Höhe von einem Institut in der Stadt (~570m Höhe) aus, die ihm und seinen Assistenten Auffahrten mit der Nordkettenbahn gestattete, diese Art der Forschung ‚ohne Expeditionscharakter‘ durchführen zu können.“
Nobelpreis
Für seine Forschung zu der Kosmischen Höhenstrahlung erhielt Victor Franz Hess 1936 den Nobelpreis für Physik. Nach und nach besuchten immer mehr Wissenschafter*innen die von ihm gegründete Forschungsstation – und manche von ihnen konnten hier neue Erkenntnisse erzielen: So gelang etwa Marietta Blau und Hertha Wambacher 1937 erstmals, auf hier belichteten Fotoplatten zu beobachten, wie ein Teilchen der Kosmischen Strahlen einen Atomkern zertrümmerte. Olaf Reimer sagt über die Bedeutung des Standortes: „Hess hat aktiv Forschung am Hafelekar betrieben, als die Nobelpreisehrung erfolgte. Damit ist ein einzigartiger Bezug zwischen der Person Hess, der Würdigung seiner Forschung und des Forschungsgegenstandes Kosmische Strahlung am Ort der Höhenmessstation gegeben; eine historische Bedeutung auch für heutige Physik.“
Renovierung
Nun wurde die Victor-Franz-Hess-Messstation von der Universität Innsbruck mit Unterstützung der Stadt Innsbruck und der Innsbrucker Nordkettenbahnen renoviert. So wurde das Dach der Hütte erneuert und das gesamte Gebäude wurde mit Holzschindeln verkleidet. Besucher*innen können dort mehr über die Forschung und über Victor Franz Hess erfahren – etwa durch Videoinstallationen, ein Schauraum wurde ebenso eingerichtet. Auch für die Forschung ist die Messstation weiterhin bedeutend. „Aufgrund der Rekonstruierung musste der Forschungsbetrieb in den letzten beiden Jahren ausgesetzt werden. Es gibt allerdings eine Anzahl von Interessent*innen mit Projekten aus Physik, Biologie & Medizinphysik, Meteorologie & Geophysik, welche die rekonstruierte Messstation für ihre Forschungen nutzen möchten“, so Olaf Reimer.