Musikfestivals sind leider für ihre Müllproduktion bekannt. Das FM4-Frequency Festival ist, was das angeht, ein besonderer Fall. Denn quer durch das Festivalgelände im Green Park, in das jährlich um die 100.000 Menschen gelockt werden, fließt die Traisen. Eine Studie der Uni Wien hat nun gezeigt, was die Festivalbesucher*innen so alles in dem Fluss hinterlassen.
Freizeitnutzung ist Gefahr für Gewässer
Die Forscher*innen wollten untersuchen, was mit Fließgewässern passiert, wenn sie von Menschen für deren Freizeit genutzt werden – etwas, das immer häufiger passiert. Freizeitnutzung und Sport ist nämlich eine der Top zehn Gefahren für Süßwasser-Ökosysteme, so ein Report der EU aus dem Jahr 2015. Das Frequency Festival bot sich für die Untersuchung dieser Gefahr sehr gut an. „Ein Festival ist vermutlich eine der intensivsten Nutzungen die es gibt“, so Jakob Schelker von der Division für Limnologie der Uni Wien, einer der Autor*innen der Studie.
„Um sicher zu gehen, dass wir das Festival gut abbilden können, haben wir sowohl ein bis zwei Monate vor und nach dem Festival, wie auch Auf- und Abstrom des Festivalgeländes gemessen und regelmäßig Wasserproben genommen. Der Vergleich erlaubt dann eindeutige Aussagen zum Festival-Effekt im Vergleich zur natürlichen Variabilität“, erklärt Jakob Schelker die Vorgehensweise der Untersuchung.
Bier, Urin, Sonnencreme
Fließgewässer wie die Traisen sind ein wichtiger Teil des Kohlenstoffkreislaufs der Erde. Sie nehmen Kohlenstoff in verschiedenen Formen aus der Umgebung auf, der dann von Mikroorganismen zu Energie und Kohlendioxid verstoffwechselt wird. Die Forscher*innen haben untersucht, wie sich die Nutzung der Traisen durch das Festival auf diesen Kreislauf auswirkt.
Verwendet haben sie dazu optische Messgeräte, die direkt in der Traisen installiert wurden. „Zu unserer Überraschung hat diese Art der Messung nicht wirklich Veränderungen in der Kohlenstoffkonzentration angezeigt, Untersuchungen im Labor allerdings sehr wohl“, erklärt Astrid Harjung, ebenfalls Autor*in der Studie. „Aus diesem Grund haben wir uns auf die Suche nach diesem für herkömmliche Monitoringmessgeräte unsichtbaren Stoff gemacht.“ Eine Reihe an Stoffen wurde in Betracht gezogen, unter anderem Bier, Plastik, Urin, Zahnpasta – und Sonnencreme.
Sonnencreme gelangt vermutlich ins Meer
Laborexperimente haben gezeigt, dass Bier und Urin sehr schnell wieder abgebaut werden. Was allerdings auch nach Wochen im Labor nicht abgebaut wurde, sind Rückstände von Sonnencreme. Genauer gesagt einer Substanz, die die UVB-Strahlen der Sonne filtern soll (Phenylbenzimidazolsulfonsäure oder PBSA). „Uns ist kein natürlich in Fließgewässern nachweisbarer organischer Stoff bekannt, der chemisch so stabil ist, wie PBSA“, so Schelker. „Dieser Stoff wird biologisch nicht wirklich abgebaut. Sehr wahrscheinlich wird er bis in die Ozeane transportiert und bleibt dort vermutlich über Monate – und möglicherweise Jahre – erhalten.“ Erstaunlich sei auch gewesen, so Schelker, dass noch nie eine so hohe Konzentration von PBSA in einem Gewässer gemessen wurde. Auch nicht in viel besuchten öffentlichen Swimmingpools.
Die Auswirkungen dieses Problems werden sich in Zukunft wohl noch deutlich verschlimmern. Forscher*innen rechnen damit, dass der globale Tourismus immer weiter ansteigen wird. Man schätzt, dass der Verbrauch von Wasserressourcen deshalb bis 2050 (im Vergleich zu 2010) um 90 Prozent ansteigen wird. Die Autor*innen der Studie von der Uni Wien empfehlen daher einen respektvollen, vorsichtigen Umgang mit natürlichen Gewässern und entsprechende Maßnahmen. Zum Beispiel, dass Großveranstaltungen wie das FM4 Frequency Festival in der Nähe von Gewässern nicht mehr so häufig oder nur in einem begrenzten Ausmaß stattfinden dürfen.
Die von Dr. Astrid Harjung, Dr. Katrin Attermeyer, Dr. Michael Schagerl und Dr. Jakob Schelker verfasste Studie ist unter diesem Link nachlesbar.