Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr – dieses bekannte Sprichwort konnte kürzlich wissenschaftlich bestätigt werden, denn: Eltern bekommen mehr Antidepressiva verschrieben als Menschen, die keine Kinder haben.
Martin Halla (vormals JKU, nun WU Wien) verglich mit österreichischen und dänischen Kolleg*innen Gesundheitsdaten aus Oberösterreich und Dänemark. Konkret sahen sich die Wissenschafter*innen die Daten von Eltern vor und nach der Geburt ihres Babys an. Vor der Geburt haben Männer und Frauen parallel verlaufende Trends, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, nach der Geburt ist dieses Risiko bei beiden Gruppen höher. Und: Junge Mütter sind besonders stark betroffen.
In Österreich steigt für Mütter neun Jahre nach der Geburt des ersten Kindes die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, um 5 % an. Bei Vätern beträgt der Unterschied nur 2,1 %. In Dänemark sieht dies ähnlich aus: Dort steigt die Einnahme von Antidepressiva ab der Geburt bei Frauen um 2,7 % und bei Männern um 0,8 %.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen also aufgrund ihrer Elternschaft Antidepressiva verschrieben bekommen, übersteigt die der Männer um 93,2 % (in Österreich) bzw. um 64,8 % (in Dänemark) – das ist ein großer Unterschied zwischen den Geschlechtern.
Vergleich mit Dänemark
Die Forscher*innen haben bewusst Dänemark zum Vergleich herangezogen: Dänemark gilt als progressiv und glücklich (Studien zählen es sogar zu den glücklichsten Ländern der Welt). Österreich wiederum ist ein konservatives Land mit traditionellen Rollenbildern. Während Mütter in Österreich ein bis zwei Jahre in Karenz gehen, ist die Dauer der Karenz in Dänemark kürzer: Die Däninnen können nur bis zu 32 Wochen bezahlt in Karenz gehen. Das Land im Norden Europas ist zudem bekannt für seine liberale Politik und gute Kinderbetreuung. Beide Länder zeichnen sich wiederum durch hohe Einkommen und ein gutes Gesundheitssystem aus.
Andere Erklärungen
Könnte es jedoch andere Erklärungen für die Einnahme von Antidepressiva geben, die jenseits der Elternschaft liegen? Diese Frage haben sich Martin Halla und seine Kolleg*innen ebenfalls gestellt. Sie untersuchten, ob geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Inanspruchnahme von medizinischer Hilfe (Männer gehen seltener zu einem Arzt/einer Ärztin als Frauen, Frauen nehmen per se häufiger Antidepressiva als Männer) oder postpartale Depressionen Auswirken haben – beides ist nicht der Fall. „Zudem zeigen sich die negativen Effekte der Elternschaft in den meisten Bevölkerungsgruppen gleich stark. Auch andere Faktoren wie der kulturelle Hintergrund der Eltern oder das Geburtsgewicht des Kindes (das ist ein Indikator für dessen Gesundheitszustand) sind nicht von Bedeutung“, erklärt Martin Halla.
Kürzere Karenz
Dass Frauen, die weiterhin den größeren Teil der Fürsorgearbeit (gratis) leisten, psychisch mehr beeinträchtigt sind als Männer, mag nicht allzu sehr verwundern. Was kann jedoch getan werden, um dem entgegenzuwirken? Martin Hallas denkt an kürzere Karenzzeiten. In Österreich gehen Frauen häufiger und länger in Karenz als Männer. In der Studie konnte ebenso gezeigt werden, dass eine längere Karenzzeit mit mehr gesundheitlichen Problemen der Mütter (jedoch nicht der Väter!) einhergeht. „Längere Karenz verfestigt wohl die Geschlechterrollen“, schlussfolgert Martin Halla.
In anderen Ländern wie der Schweiz und USA gibt es keine oder eine nur sehr kurze Elternkarenz, auch Deutschland fördert die externe Kinderbetreuung stärker. In Österreich wird zwar in der Theorie Wahlfreiheit propagiert, in der Praxis sind die Möglichkeiten für Kinderbetreuung unterschiedlich gut aufgestellt: So gibt es vor allem am Land wenig Betreuungsplätze für junge Kleinkinder. Eine andere Studie konnte zudem zeigen, dass Kinder, die früher in den Kindergarten gingen, keine Nachteile haben im Vergleich zu Kindern, die länger daheim betreut wurden.