Lois Lammerhuber ist nicht nur als Herausgeber äußerst erfolgreich – fast alle Bücher, die in der Edition Lammerhuber, seinem seit 1996 bestehenden Verlag erschienen sind, wurden ausgezeichnet – sondern auch als Fotograf. Der gebürtige Niederösterreicher erhielt den Graphis Photo Award für die beste Reportage des Jahres insgesamt drei Mal. Wir sprachen mit dem berühmten Fotografen über das neue Buch „A Voyage Through Scales„.
Worum geht’s in ihrem neuen Buch?
Das Buch ist eine Einladung zu einer Reise durch Raum und Zeit in unserem Erdsystem. Auf dieser Reise sehen wir die unterschiedlichsten Strukturen – groß, klein; länglich, rund; regelmäßig, zufällig; verzweigt oder wellenförmig. Und diese Strukturen sind das Ergebnis der vielfältigen Prozesse in unserem Universum. Wenn wir sie verstehen, können wir besser vorhersagen, wohin die Reise in Zukunft geht.
„Ich bin mir sicher, dass am Anfang nicht das Wort, sondern das Sehen war“ – Lois Lammerhuber
Was macht ein gutes Bild?
Falsche Frage, die richtige müsste lauten: Wer macht ein gutes Foto? Antwort: ein Mensch mit kreativem Geist, das heißt, mit der Fähigkeit zu intellektueller Erkenntnis in Verbindung mit dem genetischen Geschenk visueller Fähigkeiten. (Wir lernen ja ziemlich vieles im Laufe unseres Lebens, von Sehen = Erkennen ist da allerdings selten oder nie die Rede. Dabei bin ich mir sicher, dass am Anfang nicht das Wort, sondern das Sehen war …).
Wer hat die Bilder in „A Voyage through Scales“ gemacht?
Wissenschaftler und Fotografen (darunter auch ich), ziemlich gut um den Globus verteilt.
Aus wie vielen Fotos haben sie am Ende ausgewählt?
Ich schätze etwa tausend.
„Zeitlich sehen wir in den geologischen Formationen das Erbe von Jahrmillionen, bis zu dem Zucken einen Blitzes in einer Millisekunde.“ – Lois Lammerhuber
Was sind die geographischen und zeitlichen Eckpunkte des Buches?
Der Bogen ist vom Erdmittelpunkt über die Erdoberfläche, die Atmosphäre bis in den Weltraum gespannt. Natürlich lässt sich die Erdoberfläche mit ihren Landformen und Gewässern besonders attraktiv darstellen. Alle Kontinente sind vertreten. Zeitlich sehen wir in den geologischen Formationen das Erbe von Jahrmillionen, bis zu dem Zucken einen Blitzes in einer Millisekunde.
Warum haben sie gerade Größenverhältnisse als thematischen Angelpunkt verwendet?
Größenverhältnisse sind so etwas wie eine gemeinsame Währung in den Geowissenschaften. Wie groß ist eine Turbulenz im Ozean, ein Orkan, ein Stern, und wie setzen sich ihre Strukturen aus den einzelnen Teilen zusammen? Das ist eine Frage, die sich gleichermaßen in allen Geowissenschaften – sei es die Hydrologie, Glaziologie, Geologie oder Meteorologie – stellt.
Sehen sie die Welt heute anders als vor dem Projekt?
Ja, natürlich. So wie nach jedem Projekt. Bei jedem Projekt ist man eingeladen, sich einzulassen und zu lernen. Und mit Prof. Blöschl hatte ich einen fantastischen Lehrer, der mich mit der Fackel seiner Begeisterung für Skalierung lichterloh in Brand gesetzt hat.
Wie kann man den Blick für das Neue und Besondere selbst immer wieder schärfen?
Den Blick braucht man nicht schärfen, denn die Welt ist so voll unvorstellbarer und unendlich vieler Wunder. Ihr Angebot, sie zu entdecken, ist immer da und so anregend, dass Sehen süchtig macht. Dabei kann die Fotografie mithelfen, diese „Angebote“ nachvollziehbar festzumachen, frei nach László Moholy-Nagy, ist sie ja dazu da, „das Sichtbare sichtbar zu machen“.
„Fotografie wird zum neuen Esperanto, zur sich selbst erklärenden Weltsprache werden.“ – Lois Lammerhuber
Der moderne Mensch gilt als „bild-satt“…
Woher stammt denn dieser Unsinn? Alle brechen gerade mit ihren Smartphones milliardenfach auf, die Welt zu entdecken und sie sich mittels Fotografie zugänglich, verständlich zu machen, neu zu definieren. Fotografie wird zum neuen Esperanto, zur sich selbst erklärenden Weltsprache werden.
Wie geht man an so ein Projekt heran, wenn man zum Staunen verleiten will?
In dem man sich mit dem Thema einlässt und den Wissenden eines Themas zuhört.
Was waren ihre persönlichen Richtlinien?
Berührende sinn-stiftende Bilder in den Kontext der wissenschaftlichen Beiträge einzubetten um diese sinnlich-intelligent „lesbar/sichtbar“ zu machen.