Eine schlechte Nachricht zu überbringen, ist nie leicht – zum Beruf des Arztes gehört es aber unweigerlich dazu. Schwerwiegende Diagnosen wie einer Krebserkrankung oder die Überbringung einer Todesnachricht an einen Angehörigen, lassen auch Ärzte, die schon jahrelang praktizieren, nicht kalt. Doch auch, wenn es nur um ein „einfaches“ Aufnahmegespräch geht, ist es wichtig, den richtigen Ton zu treffen, auf die Patienten einzugehen und dabei eine kompetente Diagnose zu liefern. Und das will geübt sein! Das SchauspielpatientInnen-Programm der Medizinischen Universität Wien will genau die Feinheiten der zwischenmenschlichen Kommunikation an Studenten der Medizin vermitteln. In dieser Form des Kommunikationsunterichts üben angehende Ärzte zusammen mit Schauspierlern Patientengespräche – die Schauspieler schlüpfen hierbei in die Rolle der Patienten.
Die Rolle des Kranken
Die Rollen werden dabei mit Ärzten zusammen erarbeitet. Jeder Schauspieler bekommt ein Rollenskript – oft basieren die Stories auf echten Krankheitsgeschichten. Bei dem Programm wird auf eine authentische Wiedergabe der Krankheiten Wert gelegt. Von einer Krebserkrankung bis zu einer Depression ist alles dabei. „Die Symptomatik der einzelnen Krankheitsbilder – insbesondere der psychiatrischen Fälle – bedarf einer exakten, realistischen Darstellung, die präzise erarbeitet werden muss. Die Fakten zu jedem Fall (…) werden auf Basis eines Rollenskripts von den SchauspielpatientInnen vor dem Training selbständig einstudiert“, so die Leiterin des Programms, Eva Trappl.
Emotionale Herausforderung und Interaktion
Bei ihren Rollen haben die Schauspieler durchaus mit Herausforderungen zu kämpfen. Da es sich teils um schwere Fälle handelt, können manche von ihnen durchaus belastend sein. So erzählt Anette, eine Schauspielerin des Programms: „Es gibt Rollen, die einem mehr an’s Herz gehen als andere – beispielsweise das Überbringen der Todesnachricht eines nahen Angehörigen, oder die Diagnose, dass bei einem an Leukämie erkrankten Patienten keine Aussicht auf Heilung besteht.“ Lennie Johnson, die Trainerin des Programms, meint hierzu: „Besonders die Darstellung von Menschen, die eine schlechte Nachricht übermittelt bekommen, oder die an einer psychischen Krankheit leiden, erfordert eine professionelle Schauspielausbildung. Während des Spiels ist man in der Rolle – und es ist wie es ist. Wie auf einer Bühne auch. Wie sehr die „Belastung“ der Rolle über den Einsatz hinaus wirkt, kommt auf die Veranlagung der SchauspielerInnen an. Die meisten haben die Gabe tief in das Gefühl einzutauchen und es nachher abzuschütteln. Andere tragen die Belastung der Rolle noch eine Weile mit sich herum. Grundsätzlich empfehle ich, bewusst aus der Rolle auszusteigen. Das gelingt mit gezielten Übungen, die wir im Rollentraining auch üben.“
Eine weitere Herausforderung ist es, während des Gesprächs neben dem authentischen Schauspiel auch direkt auf die Medizin-Studenten zu reagieren. Anette hierzu: „Jedes Gespräch mit StudentInnen ist individuell, folglich muss der Schauspielpatient sehr flexibel sein, und die Fähigkeit besitzen sich auf die unterschiedlichsten Situationen einzulassen.“ Eva, eine andere Schauspielerin sieht das ähnlich: „Anders als im Theater ist, dass wir die Reaktion unseres Gegenüber nicht voraussehen können und in der Lage sein müssen, spontan und rollengemäß zu reagieren.“
Applaus und gezeichnete Oscars
Nach jedem Gespräch bekommen die Medizinstudenten von ihren Schauspielpatienten Feedback. Die Studierenden erfahren dann, wie kompetent sie sich während des Gesprächs verhalten haben, wie einfühlsam sie dabei waren, wie wohl der Patient sich während des Gesprächs gefühlt hat und so weiter. Lennie Johnson hierzu: „Ein professionelles, gewaltfreies Feedback will gelernt sein. Es darf sich dabei nicht um eine Meinung handeln oder belehrend sein.“
Bei den Studierenden kommen die Gespräche jedenfalls gut an: „Ich bekomme größtenteils sehr gutes Feedback über die SchauspielpatientInnen. Das Spektrum reicht von positiven E-Mails bis hin zu gezeichneten „Oscars“, die die SchauspielpatientInnen im Unterricht überreicht bekommen“, berichtet Eva Trappl. Oder, wie Irene, ebenfalls aus der Riege der Schauspieler, erzählt: „Manchmal kommt es vor, dass ich Applaus bekomme (…). Ich freue mich natürlich darüber, auch wenn es sich befremdlich anfühlt und ich es nicht anstrebe, da ich meine Arbeit als Schauspielpatientin auf keinen Fall als Möglichkeit verstehe, eine Show abzuziehen und mich in Szene zu setzen. Eigentlich soll die/der StudentIn und das Feedback an sie/ihn im Mittelpunkt stehen.“
Text: Denis Baskan