Die Form einer Welle, einen Temperaturverlauf oder Turbulenzen in Luft und Wasser berechnen – das alles wird dank Differentialgleichungen möglich. „Differentialgleichungen beschreiben sehr häufig Systeme, die sich zeitlich verändern, man denke beispielsweise an die Bewegung von Planeten. Zu jedem Zeitpunkt kann der Zustand des Systems durch einige wenige Zahlen beschrieben werden“, erklärt Máté Gerencsér. Der aus Ungarn stammende Mathematiker befasst sich in seiner Forschung, für er kürzlich den START-Preis der TU Wien erhalten hat, mit Differentialgleichungen – genauer gesagt mit stochastischen partiellen Differentialgleichungen.
Stochastische partielle Differentialgleichungen
„Partielle Differentialgleichungen (PDEs) sind komplexer und benötigen unendlich viele Zahlen, um sie zu beschreiben: Um z. B. die Veränderungen von Wellen in einem Teich zu beschreiben, müssen wir zu jedem Zeitpunkt die Höhe des Wassers in jeder Position gleichzeitig angeben“, so Máté Gerencsér. Diese partiellen Differentialgleichungen (PDEs) sind in der Mathematik schwierig zu handhaben. Geht man noch einen Schritt weiter und bezieht auch den Zufall mit ein, dann hat man es mit stochastischen partiellen Differentialgleichungen zu tun. Und genau damit befasst sich Máté Gerencsér.
Ihre Anwendungen finden stochastische partielle Differentialgleichungen finden in etwa in der mathematischen Physik Anwendung.
Anwendungsbereiche
Máté Gerencsér nennt zwei primäre Anwendungsgebiete: „ Das eine ist die Universalität, bei der unterschiedliche Muster auf der mikroskopischen Ebene ähnliche Formen auf der makroskopischen Ebene erzeugen.“ Solche Bilder sieht man oft in der Statistik, wenn man mehrere unterschiedliche Arten von Daten, die nichts miteinander zu tun haben, jedoch dieselbe glockenförmige Kurve ergeben – das ist die sogenannte Normal- oder Gauß-Verteilung. Ein anderes Beispiel für dieses Anwendungsgebiet: „Ein ähnliches Phänomen tritt auf, wenn man z. B. das Wachstum einer zufälligen Schnittstelle untersucht (man denke an den Rand eines wachsenden Kaffeeflecks oder eines Waldbrandes). Obwohl die lokale Mechanik des Wachstums sehr unterschiedlich sein kann, kann man beim Herauszoomen ähnliche Formen erkennen, die durch stochastische PDEs beschrieben werden können.“ Auch die Wachstum einer Bakterienkolonie kann mit Hilfe von stochastischen partiellen Differentialgleichungen berechnet werden.
Das zweite Anwendungsgebiet von stochastischen partiellen Differentialgleichungen bezieht sich auf das Langzeitverhalten der Gleichungen: „Wir können uns vorstellen, dass viele dynamische Systeme nach langer Zeit eine Art stabilen Gleichgewichtszustand erreichen. Aufgrund des nie endenden Zufallsinputs werden sich stochastische PDEs nie in einem völlig statischen Gleichgewicht einpendeln, sondern sie erreichen einen Punkt, an dem ihr statistisches Verhalten gleich bleibt. Diese Zufallsmuster, die langfristig in stochastischen PDEs auftreten, haben sehr interessante Anwendungen für die Quantenfeldtheorie oder die statistische Physik.“
Forschungsgebiete mit Zukunft
Für Máté Gerencsér ist sein Forschungsgebiet auf jeden Fall eines mit Zukunft: „Auf dem Gebiet der stochastischen PDEs hat es in den letzten Jahren große Durchbrüche gegeben, und wir wollen auf diesen Fortschritten aufbauen, um Gleichungen zu lösen, die bisher unerreichbar waren.“ Dank des START-Preises hat er die Möglichkeit, eine Forschungsgruppe an der TU Wien aufzubauen. Über sein Forschungsziel sagt der Mathematiker: „Wir wollen sowohl die theoretische als auch die rechnerische Seite untersuchen, d. h. mathematische Aussagen über die Lösungen der Gleichungen beweisen und auch die Algorithmen analysieren, die zur Simulation einer solchen Zufallsdynamik verwendet werden können.“