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28. Mai 2015

Ist die Schule von morgen ein Kinderspiel?

Von Schrödingers Katze
Faktencheck

Ursprünglich kam Marlene Kollmayer aus Niederbayern nach Wien, um “aus Interesse an den Menschen” Psychologie zu studieren. Inzwischen hat sie sich auf Bildung spezialisiert, arbeitet an der Uni Wien an ihrem Doktorat und beschäftigt sich mit “Prozessen, die zur Entwicklung von Bildungskomponenten beitragen, sowie mit Bedingungen und Aktivitäten, die diese unterstützen, optimieren oder anders beeinflussen können.” Also auch mit Gamification.

All Games are Serious

Die Bildungspsychologie erforscht die Hintergründe, wie sich – aus Sicht der Gesellschaft – wünschenswerte Persönlichkeitsausprägungen fördern lassen. Sei es durch Instruktion von Lehrpersonen oder auch via game-based-learning. Gamification sei somit zwar nicht direkt in ihrem Fokus, so Kollmayer, der liegt nämlich im Bereich von Geschlechterstereotypen, Bildungsgerechtigkeit und Motivation. Aber weil sogenannte Serious Games “Bildungsprozesse und Motivation fördern sollen, ist für uns natürlich interessant, ob und wie sie funktionieren und ob sie eine Möglichkeit darstellen, Personen mehr für Bildungsprozesse zu motivieren.”

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“Spielerisches Lernen ist seit jeher ein Menschheitstraum – genau wie das sprichwörtliche Lernen im Schlaf,“ meint Marlene Kollmayer über Gamification.

Was hält also eine Bildungspsychologin vom zunehmenden Einsatz von game-based-learning? “Grundsätzlich hat jedes Spiel Potenzial zum Lernen – all games are serious – die Frage ist nur, für wen, für welchen Zweck und unter welchen Bedingungen?” Zur Beantwortung dieser Fragen könne ihre Disziplin etwas beitragen, weil sie weiß, welche Prozesse man im Auge behalten muss, um das Potenzial von solchen Serious Games zu beurteilen.

Ein in diesem Zusammenhang oft genanntes Schlagwort ist die Motivation. Die ist “ein komplexes Konstrukt, das nicht einfach eine Eigenschaft einer Person darstellt” – sondern vielmehr “ein Prozess, in dem verschiedene Phasen durchlaufen werden um letztendlich ein Ziel zu erreichen”, erklärt Kollmayer. Es sind genau fünf Phasen.

Die fünf Schritte zur erfolgreichen Motivation

  1. Die Entscheidung, ob eine Handlung bzw. das Ziel genügend Anreiz bietet
  2. Die Vorstellung, was für das Erreichen des Zieles notwendig ist
  3. Die Planung, wie diese Handlung umgesetzt werden könnte
  4. Die Kompetenz, das Ziel dadurch tatsächlich erreichen zu können
  5. Die Reflexion, ob man erfolgreich war bzw. das Ziel erreicht hat

“In jeder dieser Phasen kann viel dazwischen kommen“, gibt Kollmayer zu Bedenken, „sodass ein Ziel letztlich nicht erreicht wird. Es braucht viele, verschiedene Kompetenzen um den Prozess erfolgreich zu vollenden.” Diese Kompetenzen kommen vermutlich nicht bei jedem von uns in gleichem Ausmaß vor. “Grundsätzlich gibt es natürlich verschiedene Typen – abhängig z.B. von der eigenen Lerngeschichte, der Situation oder dem Inhalt, mit dem man sich beschäftigen soll.” Eine einfache Lösung für alle gibt es also nicht.

Du willst ja nur Belohnung 

Ein generelles Problem bei Gamification und spielerischem Lernen sei jedoch, “dass Anreize in Form von High Scores oder gesammelten Punkten klassische extrinsische Belohnungen darstellen. Damit strenge ich mich nicht an, weil ich etwas lernen möchte, sondern weil ich eine Belohnung dafür bekomme – oder schlicht der Beste sein will.” Also: Leistungsorientierung statt Lernzielorientierung.

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“All games are serious – die Frage ist nur, für wen, für welchen Zweck und unter welchen Bedingungen?” High Scores, Sterne und Erfahrungspunkte sind klassische Belohnungen von außen. Sie fördern zwar die Leistung , aber die Motivation, “sich für etwas zu interessieren, seine Kompetenzen erweitern zu wollen” vernachlässigen sie.

“All games are serious – die Frage ist nur, für wen, für welchen Zweck und unter welchen Bedingungen?”  High Scores, Sterne und Erfahrungspunkte sind klassische extrinsische Belohnungen, die zwar die Leistung fördern, aber die Motivation, “sich für etwas zu interessieren, seine Kompetenzen erweitern zu wollen” vernachlässigen.

“Das ist langfristig ungünstig für die Motivation. Lernen bedeutet eben auch sich für etwas zu interessieren, seine Kompetenzen erweitern zu wollen – und nicht nur für eine Belohnung zu arbeiten. Auch, dass man manchmal „durchbeißen“ muss, um ein Ziel zu erreichen, ist eine wichtige Erfahrung, die in Spielen nur schwer gemacht werden kann”  In diesem Fall wäre das Lernen nicht mehr spielerisch – zumindest nicht im eigentlichen Sinne.

Die spielifizierte Schule der Zukunft

Analysen zeigen zwar, dass serious games die Lernmotivation nicht direkt positiv beeinflussen können,  “es gibt aber Hinweise, dass sie sich positiv auf Leistungen auswirken – aber nur wenn sie mit anderen Methoden kombiniert werden.” Wenn Schulen mit Gamification arbeiten, sollten Lehrkräfte also Zeit einplanen, um die Erfahrungen mit den Schülern und Schülerinnen zu besprechen. Die Kompetenzen können so auf andere Art und Weise trainiert und in einen neuen Kontext transferiert werden. “Ein wichtiger Schritt beim Lernen ist eben auch das darüber Sprechen und Reflektieren mit Anderen.”

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Sie sieht Gamification nicht als Wunderwaffe der Zukunft. “Ein wichtiger Schritt beim Lernen ist eben auch das darüber Sprechen und Reflektieren mit Anderen” meint die Bildungspsychologin Marlene Kollmayer von der Uni Wien.

Ebenso wie Spieldesigner Jörg Hofstätter in unserem ersten Interview kritisiert Kollmayer die oft mangelhafte Umsetzung von teils gut gemeinten Ideen: zu einfach, zu schwer oder gar die Möglichkeit, Lernaufgaben zu umgehen und trotzdem weiterzuspielen. “Man muss sich das immer genau ansehen. Man kann nicht generell eine Aussage über Gamification treffen.“

Alte Stereotypen im Gamification-Kostüm 

Ein negatives Beispiel beschäftigt sie jedoch besonders – vor allem aufgrund ihres Forschungsschwerpunkts zu Geschlechterstereotypen: “Ein Verlag hat jüngst Spiele auf den Markt gebracht, die sich differenziert an Jungen und Mädchen wenden – laut Hersteller unterscheiden sich die Versionen beim didaktischen Konzept.”

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Girls will be girls & boys will be Boys. Spiele, die sich differenziert an Jungen und Mädchen wenden, sind keine Seltenheit. Wie auch bei anderen Lernmethoden müssen Gamification-Ansätze mit Geschlechterstereotypen und anderen traditionellen Problemen der Bildungspsychologie kämpfen.

Tatsächlich quittiert die Jungen-Version falsche Eingaben mehrfach mit der Aufforderung, es noch einmal zu versuchen, bevor eine Hilfestellung zur Verfügung steht – die Mädchen können gleich in der Hilfe nachschauen. “Hier sieht man, dass – wie oft in Lernkontexten – Mädchen weniger zugetraut wird als Jungen, sie damit auch weniger gefordert werden und so weniger Chancen erhalten, sich auszuprobieren und zu beweisen.” Das is natürlich kein Charakteristikum von Serious Games. Es zeigt aber, dass man sich auch im Feld der Spielifizierung mit bekannten Probleme beschäftigen muss und diese keineswegs als automatisch gelöst betrachten darf. Serious Games müssen einfach genauso differenziert wie traditionelle Lernmethoden beobachtet werden – um zu sehen, wem sie unter welchen Umständen nützen können.

Kollmayer meint abschließend, es sei wichtig “verschiedene Lernmethoden anzubieten und diese zu verknüpfen. Es wird in Zukunft nicht so sein, dass wir alle alles ausschließlich spielerisch lernen können.” Trotzdem steckt game-based-learning vielerorts erst in den Kinderschuhen, hat noch reichlich Potenzial und könnte die Schule von morgen jedenfalls bereichern.

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